Empathie wird als ein multidimensionales Konstrukt verstanden, welches kognitive Aspekte wie empathische Akkuratheit (die Fähigkeit, die Emotionen einer anderen Person akkurat zu erken-nen) als auch affektive Aspekte wie Emotionskongruenz (die Fähigkeit, die Emotionen anderer zu teilen) und Mitgefühl (die Fähigkeit, ein Gefühl von Sorge für diese Person zu erleben) umfasst (z.B. Davis, 1994; Eisenberg & Fabes, 1990). Ziel der Dissertation war es zu einem umfassenden Verständnis altersbezogener Unterschiede in diesen drei Empathiefacetten beizutragen. Ausgehend von der Überlegung, dass empathische Akkuratheit wesentlich von alterssensitiven kognitiven Prozessen determiniert wird (z.B. Adolphs, 2002), während affektive Empathiefacetten vor allem altersfreundliche emotionsregulatorische Voraussetzungen haben (z.B. Eisenberg, 2000), wurde vermutet, dass empathische Akkuratheit Altersdefizite aufweist, während Gefühlskongruenz und Mitgefühl altersbezogene Zugewinne zeigen. Da Evidenz dafür vorliegt, dass altersbezogene Defizite in unterschiedlichen kognitiven und emotionalen Leistungsbereichen reduziert werden, wenn die Aufgabe eine besondere Bedeutung für Ältere hat (z.B. Hess, Rosenberg & Waters, 2001; Kunzmann & Grühn, 2005), lag ein weiteres Ziel der Studie darin, zu überprüfen, ob Altersunterschiede in der Empathie durch die Altersrelevanz der Aufgabe moderiert werden. Grund für diese Annahme liefert das Modell der selektiven Optimierung mit Kompensation (z.B. Baltes & Baltes, 1990) sowie die Selective Engagement Theorie (Hess, 2006), die übereinstimmend po-stulieren, dass Personen mit zunehmendem Alter dazu tendieren mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen sparsam umzugehen und diese primär in Bereichen einsetzen, die sie für relevant halten. Basierend auf diesen Überlegungen wurde vermutet, dass Altersdefizite in empathischer Akkuratheit weniger wahrscheinlich sind, wenn die Aufgabe von hoher Relevanz für Ältere ist; in der Emotionskongruenz sollten sich die Altersgewinne in den für Ältere relevanten Aufgaben sogar vergrößern. Da erste Evidenz dafür vorliegt, dass Altersunterschiede im Mitgefühl nicht durch die Altersrelevanz moderiert werden, wurde vermutet, dass Ältere ein höheres Ausmaß an Mitgefühl berichten – unabhängig von der Relevanz der Aufgabe. Zur Überprüfung der Hypothesen wurden 101 jungen und 101 älteren Erwachsenen Filmausschnitte präsentiert, in denen eine junge oder eine ältere Person ein autobiografisches, für ihre Altersgruppe relevantes oder altersneutrales Erlebnis schilderte, und dabei echte Emotionen wiedererlebte. Zur Erfassung empathischer Fähigkeiten sollten die Teilnehmer mithilfe einer Emotionsadjektivliste angeben, in welchem Ausmaß die gezeigte Person sowie sie selbst jedes dieser Gefühle erlebt haben. Erwar-tungsgemäß zeigten sich für die Filme ohne besondere Altersrelevanz negative Altersunterschiede in empathischer Akkuratheit, während Gefühlskongruenz und Mitgefühl Altersgewinne aufwiesen. Wie angenommen wurden Altersdefizite in empathischer Akkuratheit durch die Altersrelevanz der Aufgabe moderiert; Ältere erzielten die gleiche Leistung wie Jüngere, wenn das geschilderte Thema von hoher Relevanz für sie war. Hingegen zeigte sich keine Moderation der Altersunterschiede für Emotionskongruenz. Wie erwartet erlebten Ältere mehr Mitgefühl als Jüngere – unabhängig von der Aufgabenrelevanz. Zusammengenommen sprechen die Befunde dafür, dass Altersunterschiede in der Empathie multidirektional und kontextabhängig verlaufen.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:15-qucosa-161298 |
Date | 23 February 2015 |
Creators | Wieck, Cornelia |
Contributors | Wieck, Cornelia, Fakultät für Psychologie, Entwicklungspsychologie, Prof. Dr. Ute Kunzmann, Prof. Dr. Ute Kunzmann, Prof. Dr. Manfred Holodynski |
Publisher | Universitätsbibliothek Leipzig |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf |
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