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In-vivo-optogenetische Inhibition striataler Parvalbumin-reaktiver Interneurone zur Untersuchung der pathophysiologischen Bedeutung in einem DYT1 Knock-in-Mausmodell

Einleitung: Die Dystonie ist eine neurologische Bewegungsstörung, bei der durch unwillkürliche anhaltende oder intermittierende Muskelkontraktionen schraubenartige Bewegungen oder Haltungen auftreten. Die häufigste genetische Form ist die DYT1 Dystonie, bei der eine Deletion von drei Basenpaaren im TOR1A-Gen zur Expression eines mutierten TorsinA-Proteins führt. Die unzureichende Aufklärung der Pathophysiologie von Dystonien erschwert die Entwicklung geeigneter Therapien. Studien an Tiermodellen und humanen Patienten deuten darauf hin, dass der Dystonie Fehlfunktionen innerhalb der Basalganglienschleife zugrunde liegen, an denen die Basalganglien, der Cortex, der Thalamus und das Kleinhirn beteiligt sind. Eine anerkannte Hypothese besagt, dass die Dystonie aus einem Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung resultiert. Eine abnorme neuronale Plastizität, z.B. eine erhöhte Langzeitpotenzierung und eine verminderte Langzeitdepression im Striatum, der Eingangsstruktur der Basalganglien, ebenso wie eine beeinträchtigte GABAerge Hemmung bei verschiedenen Arten von menschlicher Dystonie stützen die Hypothese des Verlustes der Hemmung im Striatum. Ziele der Untersuchungen: Striatale GABAerge Parvalbumin-reaktive Interneurone (PV+) nehmen eine zentrale Rolle in der hemmenden Kontrolle ein, indem sie die Aktivität striataler Projektionsneurone (MSN) und somit das Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung im Striatum regulieren. Die Bedeutung eines Hemmungsverlustes im Striatum, ausgelöst durch eine mögliche Fehlfunktion striataler PV+, sollte in einem Tiermodell der DYT1 Dystonie untersucht werden. Mithilfe einer in-vivo-optogenetischen Inhibition striataler PV+ in dem DYT1 Knock-in-Mausmodell (DYT1 KI), ein ätiologisches Mausmodell ohne Ausprägung eines dystonen Phänotyps, wurden die Auswirkungen auf das lokomotorische Verhalten, auf die Entwicklung dystoner Symptome und auf die neuronale Aktivität untersucht. Tiere, Material und Methoden: Zu diesem Zweck wurde eine Mauslinie etabliert, welche die lichtsensitive Chloridionenpumpe Halorhodopsin (eNpHR3.0) in PV+ exprimiert und entweder heterozygot oder Wildtyp (WT) für die DYT1-Mutation ist. Dafür wurden unter Verwendung des Cre-LoxP Systems verschiedene Mauslinien miteinander gekreuzt. Die Untersuchungen wurden an männlichen sechs Monate alten DYT1 KI (n = 7) und WT-Mäusen (n = 8) durchgeführt, da diese geschlechts- und altersabhängig signifikante Verhaltensänderungen zeigten. Die Expression von Halorhodopsin wurde mittels Genotypisierung und Immunhistochemie verifiziert. Durch bilaterale stereotaktische Implantation optischer Fasern in das murine dorsale Striatum konnten Lichtimpulse an das eNpHR3.0 übertragen werden. Anregung mit gelbem Licht führt zur Aktivierung des eNpHR3.0, welches einen Chloridioneneinstrom ermöglicht und zu einer Hyperpolarisation der striatalen PV+ führt. Es wurden verschiedene Stimulationsprotokolle verwendet, welche sich in der Länge und dem Intervall der Lichtimpulse sowie der Dauer der Stimulation unterschieden. Dabei befanden sich die Mäuse im „open field” und ihre lokomotorische Aktivität sowie weitere Parameter, z.B. Thigmotaxis und Putzverhalten, wurden beurteilt. Untersuchungen zur neuronalen Aktivität wurden sowohl an den stimulierten (DYT1 KI n = 7, WT n = 6) als auch an naiven Tieren (DYT1 KI n = 6, WT n = 8) aus derselben Mauslinie durchgeführt. Effekte auf die neuronale Aktivität wurden anhand der Expression des neuronalen Markers c-Fos untersucht. Die gesamte neuronale Aktivität wurde durch stereologisches Zählen c-Fos-positiver Neurone analysiert. Die Aktivität striataler PV+ und cholinerger Interneurone (CIN) wurde durch Doppelmarkierungen mit c-Fos- und eNpHR3.0 bzw. Cholinacetyltransferase (ChAT) beurteilt. Die grafische Darstellung und statistische Auswertung wurde mit SigmaPlot14.0 durchgeführt und erfolgte mittels Varianzanalyse (ein- und zweifaktorielle ANOVA, mit und ohne Messwiederholung) gefolgt von einem Post-Hoc-Test für Mehrfachvergleiche (Holm-Sidak). Das Signifikanzniveau wurde bei
p < 0,05 festgesetzt. Ergebnisse: Die optogenetischen Stimulationen mit gelben Lichtimpulsen bei unterschiedlichen Impulsdauern und Intervalllängen und mit einer Stimulationsdauer von bis zu 60 Minuten lösten in den Mäusen keine abnormalen Bewegungen, wie dystone Symptome, aus. Weiterhin waren sowohl das lokomotorische Verhalten als auch die weiteren analysierten Parameter unter Stimulation unverändert. Dagegen zeigten immunhistochemische Untersuchungen Genotyp-abhängige Unterschiede zur neuronalen Aktivität. Im Gegensatz zu stimulierten WT-Mäusen zeigten stimulierte DYT1 KI eine verringerte striatale neuronale Gesamtaktivität (p = 0,002), d.h. weniger c-Fos reaktive Neurone, welches sich über das gesamte Striatum erstreckt. Weiterhin zeigten stimulierte DYT1 KI-Mäuse eine geringere Aktivität eNpHR3.0-positiver Neurone als stimulierte WT
(p = 0,31), also eine anhaltende Hemmung der PV+, sowie eine erhöhte Aktivierung cholinerger Interneurone nach optogenetischer Hemmung von PV+ (vs. WT
p < 0,001, vs. naive DYT1 KI p < 0,001). Schlussfolgerungen: Da die in-vivo-optogenetische Hemmung striataler PV+ nicht ausreichte, um in DYT1 KI-Mäusen dystone Symptome hervorzurufen, scheinen zumindest kürzere hemmende Defizite über PV+ für die Ausprägung der DYT1 Dystonie keine zentrale Rolle zu spielen. Ebenso hatte die optogenetische Hemmung von PV+ keinen Einfluss auf das lokomotorische Verhalten von WT und DYT1 KI-Mäusen. Dennoch deuten die Genotyp-bezogenen Unterschiede in der neuronalen Aktivität zwischen stimulierten Mäusen auf eine abnorme Reaktion auf die optogenetische Hemmung von PV+ und eine striatale Fehlfunktion bei den DYT1 KI-Mäusen hin. Weiterführende Studien aus einer Kombination von optogenetischen Manipulationen von PV+ und elektrophysiologischen Untersuchungen bzw. Neurotransmittermessungen können Erklärungsansätze für Veränderungen in der neuronalen Aktivität liefern und Einblicke in Neurotransmitterimbalancen, die der Dystonie zugrunde liegen, geben.:Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Literaturübersicht
2.1 Definition und Einteilung von Dystonien
2.1.1 Die primäre DYT1 Torsionsdystonie
2.2 Diagnose und Therapieoptionen von Dystonien
2.3 Tiermodelle primärer Dystonien
2.3.1 Das DYT1 Knock-in-Mausmodell
2.4 Die Basalganglien: Neuroanatomie und Physiologie
2.4.1 Nervenzellen des Striatums
2.4.1.1 Striatale Projektionsneurone
2.4.1.2 Striatale Interneurone
2.4.2 Basalganglien und Dystonie: pathophysiologische Veränderungen
2.4.3 Striatale Parvalbumin-reaktive Interneurone
2.4.3.1 Physiologische Eigenschaften
2.4.3.2 Bedeutung für Verhalten, Motorik und Dystonien
2.4.3.3 Inhibition Parvalbumin-reaktiver Interneurone mithilfe der In-vivo-Optogenetik
3. Fragestellung
4. Publikation
5. Diskussion
5.1 Methodische Aspekte
5.2 Ergebnisse
5.2.1 Verhaltensuntersuchungen
5.2.2 Neuronale Aktivität
5.3 Schlussfolgerungen und Ausblick
6. Zusammenfassung
7. Summary
8. Literaturverzeichnis
9. Danksagung / Introduction: Dystonia is a movement disorder characterized by abnormal involuntary movements or postures due to sustained or intermittent muscle contractions. The most common inherited form is DYT1 dystonia, in which a deletion of three base pairs in the TOR1A gene leads to the expression of a mutant torsinA protein. The insufficient elucidation of the pathophysiology of dystonia hampers the development of effective treatments. Studies in animal models and in human patients suggest that dystonia underlies dysfunction within the basal ganglia loop involving the basal ganglia, cortex, thalamus and cerebellum. An accepted hypothesis is that dystonia results from an imbalance between excitation and inhibition. Abnormal neuronal plasticity, e.g., increased long-term potentiation and decreased long-term depression in the striatum, the input structure of the basal ganglia, as well as impaired GABAergic inhibition in various types of human dystonia support the hypothesis of a loss of inhibition in the striatum. Aim: Striatal GABAergic parvalbumin-reactive interneurons (PV+) play a central role in inhibitory control by regulating the activity of striatal projection neurons (MSN) and consequently the balance between excitation and inhibition in the striatum. The importance of a loss of inhibition in the striatum, triggered by possible dysfunction of striatal PV+, should be investigated in an animal model of DYT1 dystonia. Using in vivo optogenetic inhibition of striatal PV+ in the DYT1 knock-in mouse model (DYT1 KI), a genetic mouse model without manifestation of a dystonic phenotype, the effects on locomotor behavior, on the development of dystonic symptoms and on neuronal activity were investigated. Animals, material and methods: A mouse line expressing the light-sensitive chloride ion pump halorhodopsin (eNpHR3.0) in PV+ and either heterozygous or wildtype (wt) for the DYT1 mutation was established. For this, different mouse lines were crossed using the Cre-LoxP system. Studies were performed in male six-month-old DYT1 KI (n = 7) and wt mice (n = 8), as they showed significant behavioral abnormalities in a sex- and age-dependent manner. Halorhodopsin expression was verified by genotyping and immunohistochemistry. After bilateral stereotactic implantation of optical fibers into the murine dorsal striatum, light pulses could be transmitted to eNpHR3.0. Excitation with yellow light leads to activation of eNpHR3.0, which leads to chloride ion influx and results in hyperpolarization of striatal PV+. Different stimulation protocols were used, differing in the length and interval of light pulses and the duration of stimulation. During optogenetic stimulation, mice were in the 'open field' and their locomotor activity and other parameters, e.g., thigmotaxis and grooming behavior, were assessed. Studies on neuronal activity were performed on both stimulated (DYT1 KI n = 7, WT n = 6) and naive animals (DYT1 KI n = 6, WT n = 8) from the same mouse line. For neuronal activity studies, the expression of the neuronal marker c-Fos was examined. Overall neuronal activity was analyzed by stereological counting of c-Fos-positive neurons. Activity of striatal PV+ and cholinergic interneurons (CIN) was determined by colabeling with c-Fos- and eNpHR3.0 or choline acetyltransferase (ChAT). All plots and statistical analyses were performed using SigmaPlot14.0 and analyzed by analysis of variance (one-way and two-way ANOVA, with and without repeated measures) followed by a multiple comparison post-hoc test (Holm-Sidak). Significance was assigned at p < 0.05. Results: In stimulated mice, optogenetic inhibition using yellow light pulses at different pulse durations and interval lengths and with a stimulation duration up to 60 minutes did not induce abnormal movements, such as dystonic signs. Furthermore, both locomotor behavior and other parameters analyzed remained unchanged under stimulation. In contrast, immunohistochemical studies revealed genotype-dependent differences in neuronal activity. In contrast to stimulated wt mice, stimulated DYT1 KI showed reduced overall striatal neuronal activity (p = 0.002), i.e., fewer c-Fos reactive neurons, spreading over the entire striatum. Likewise, stimulated DYT1 KI mice showed decreased activity of eNpHR3.0-positive neurons than stimulated wt (p = 0.31), indicating lasting inhibition of PV+, as well as increased activation of cholinergic interneurons after optogenetic inhibition of PV+ (vs. WT p < 0.001, vs. naive DYT1 KI p < 0.001). Conclusions: Since in vivo optogenetic inhibition of striatal PV+ was not sufficient to elicit dystonic symptoms in DYT1 KI mice, at least short-time inhibition seems not to play a central role in the manifestation of DYT1 dystonia. Similarly, optogenetic inhibition of PV+ had no effect on locomotor behavior in wt and DYT1 KI mice. Despite this, genotype differences in neuronal activity between stimulated mice suggest an abnormal response to optogenetic inhibition of PV+ and striatal dysfunction in the DYT1 KI mice. Further studies combining optogenetic manipulations of PV+ and electrophysiological or neurotransmitter measurements may provide explanatory approaches to changes in neuronal activity and give insights into neurotransmitter imbalances underlying dystonia.:Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Literaturübersicht
2.1 Definition und Einteilung von Dystonien
2.1.1 Die primäre DYT1 Torsionsdystonie
2.2 Diagnose und Therapieoptionen von Dystonien
2.3 Tiermodelle primärer Dystonien
2.3.1 Das DYT1 Knock-in-Mausmodell
2.4 Die Basalganglien: Neuroanatomie und Physiologie
2.4.1 Nervenzellen des Striatums
2.4.1.1 Striatale Projektionsneurone
2.4.1.2 Striatale Interneurone
2.4.2 Basalganglien und Dystonie: pathophysiologische Veränderungen
2.4.3 Striatale Parvalbumin-reaktive Interneurone
2.4.3.1 Physiologische Eigenschaften
2.4.3.2 Bedeutung für Verhalten, Motorik und Dystonien
2.4.3.3 Inhibition Parvalbumin-reaktiver Interneurone mithilfe der In-vivo-Optogenetik
3. Fragestellung
4. Publikation
5. Diskussion
5.1 Methodische Aspekte
5.2 Ergebnisse
5.2.1 Verhaltensuntersuchungen
5.2.2 Neuronale Aktivität
5.3 Schlussfolgerungen und Ausblick
6. Zusammenfassung
7. Summary
8. Literaturverzeichnis
9. Danksagung

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:86205
Date27 June 2023
CreatorsSchulz, Anja
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relation10.1002/jnr.25157, 10.1002/jnr.25157

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