Hintergrund: Bei der Interaktion zwischen Herz und Psyche wird als ein psychophysiologischer Mechanismus eine Veränderung der Modulationsfähigkeit des autonomen Nervensystems angenommen, die mittels HRV (=heart rate variability) widergespiegelt werden kann. Der Zusammenhang zwischen negativer Befindlichkeit und reduzierter HRV scheint jedoch entgegen häufig publizierten Annahmen nicht konsistent. Außerdem wurde zur zeitlichen Stabilität der HRV-Messungen über eine längere Periode von mehreren Jahren sowie zum Zusammenhang zwischen diastolischer Dysfunktion und HRV bisher noch nicht sehr umfangreich geforscht.
Methoden: Es wurden 111 Patienten (60 % M., 70 +/- 17 J.) mit kardiovaskulären Risikofaktoren aus einer Kohortenstudie des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz (KNHI) untersucht. Kurzzeit-HRV-Messungen (5 min) wurden in den folgenden drei Phasen durchgeführt: Sechs-Minuten-Gehtest, 6/min Taktatmung und Ruhephase. Zum einen wurde mittels Echokardiographie eine diastolische Dysfunktion bestimmt und den Herzfrequenz- (Hr) und HRV-Werten gegenübergestellt. Zum anderen wurden Selbstbeurteilungsfragebögen zur Befindlichkeit, im Speziellen Depressivität und Angst (HADS), Vitaler Erschöpfung (Maastricht Fragebogen) und gesundheitsbezogener Lebensqualität (SF-36), verwendet und Korrelationen mit den Hr- und HRV-Werten berechnet. Anhand eines Teilkollektivs von 24 Pat. wurden Längsschnittanalysen (Zeitintervall 2-4 J.) zur Hr und HRV durchgeführt.
Ergebnisse: Es konnten keine (einheitlich) signifikanten Korrelationen zwischen Befindlichkeit und Hr/HRV festgestellt werden, ebenso nicht für ein Teilpatientenkollektiv ohne Betablockereinnahme. In den Längsschnittanalysen zeigten sich auf Gruppenebene eine relative Stabilität der HRV-Werte und auf individueller Ebene hingegen nur eine geringe bis mäßige Stabilität, und zwar auch bei weitgehend unverändertem kardialem Zustand. Für diese individuellen Veränderungen der HRV-Werte konnte keine Ursache eruiert werden. Hingegen bildete sich bezüglich der Herzfrequenz (Hr) eine deutlich höhere Stabilität im zeitlichen Verlauf ab. Beim Vergleich der HRV-Parameter zwischen zwei Patientengruppen mit und ohne isolierte diastolische Dysfunktion zeigte sich eine nicht signifikant reduzierte HRV bei Patienten mit isolierter diastolischer Dysfunktion.
Diskussion: Die Zusammenhänge von Befindlichkeit mit der Hr und der HRV scheinen entgegen häufig publizierten Annahmen nicht konsistent. Die vielen Einflussfaktoren auf die HRV sowie die komplexen Eigenschaften des autonomen Nervensystems stellen eine mögliche Erklärung für die uneinheitlichen Ergebnisse zur HRV dar. In früheren Studien könnte es sich zumindest partiell angesichts jeweils multipler untersuchter Assoziationen um Scheinsignifikanzen handeln. In zukünftigen Studien wäre es sinnvoll bezüglich der HRV strikt zwischen Kurz- und Langzeit-HRV-Messungen und bezüglich der Befindlichkeit zwischen psychischen und körperlichen Symptomen zu unterscheiden. Auch sollte der Einfluss von Medikamenteneinnahmen (herzwirksame Medikamente, Antidepressiva) kontrolliert werden. In den Längsschnittanalysen war bei einer Gruppengröße von nur 24 Patienten die statistische Power für weiter gehende Analysen unzureichend. Der Zusammenhang zwischen diastolischer Dysfunktion und HRV wurde bisher noch nicht sehr umfangreich erforscht, weshalb dieses Ergebnis einen interessanten weiteren Baustein in der aktuellen Forschung darstellt.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-0001-BB20-A |
Date | 27 August 2013 |
Creators | Müller, Katharina |
Contributors | Herrmann-Lingen, Christoph Prof. Dr. |
Source Sets | Georg-August-Universität Göttingen |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doctoralThesis |
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