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Der Einfluss von Kleinhirnläsionen auf das motorische Sequenzlernen

Das Erlernen neuer motorischer Fähigkeiten ist ein komplexer Vorgang und bedarf einem koordinierten Zusammenspiel verschiedener kortikaler und subkortikaler Hirnstrukturen. Als wichtige Integrationszentrale somatosensorischer und motorischer Signale ist das Kleinhirn neben der Ausführung von zielgerichteten Bewegungen auch am Prozess des motorischen Lernens beteiligt. Obwohl die Rolle des Kleinhirns für das motorische Lernen bereits in vielen Studien untersucht wurde, unterscheiden sich die Ergebnisse im Hinblick auf das motorische Sequenzlernen.
Das Ziel der durchgeführten Arbeit war es, den Einfluss von Kleinhirninfarkten auf das explizite motorische Sequenzlernen zu untersuchen. Hierfür wurden die Verhaltensdaten von Patienten mit einem Kleinhirninfarkt hinsichtlich ihrer Performanz sowie ihrer Fähigkeit zum Erlernen und Konsolidieren einer motorischen Aufgabe mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen. Weiterhin wurden die Ergebnisse der Infarktpatienten bezüglich topographischer Läsionsunterschiede ausgewertet, um etwaige funktionelle Lateralisierungen aufzudecken. Mittels Korrelationsanalysen sollten außerdem Zusammenhänge zwischen den Verhaltensdaten der Studienteilnehmer und den Auswirkungen von Alter, Infarktgröße und dem Zeitintervall zwischen dem Schlaganfall und der Studienteilnahme dargestellt werden.
Für die vorliegende Studie wurden 23 Kleinhirninfarktpatienten im Alter von 20 bis 80 Jahren und 23 alters- und geschlechtsbalancierte Kontrollprobanden eingeschlossen. Die Testpersonen mussten auf einer Tastatur eine fünfstellige Sequenz möglichst schnell und fehlerfrei tippen. Das Experiment umfasste zwei Testtage, um beide Hände separat zu untersuchen. Die Teilnehmer wurden jeweils am Morgen (Training) und acht Stunden später am Abend (Retest) getestet. Analysiert wurden zum einen die motorische Performanz, welche anhand der Fehleranzahl und der Geschwindigkeit errechnet wurde. Zum anderen wurde das Lernverhalten anhand der relativen Performanz-Veränderungen in den Trainings- und Retestblöcken erfasst (online Lernen). Das Verhältnis zwischen der Performanz im ersten Block des Retests und dem erreichten Performanz-Niveau am Ende des Trainings (Mittelwert Block 11-14) diente als Kennzahl für die Konsolidierung der motorischen Aufgabe (offline Lernen).
Die multivariaten Varianzanalysen konnten zeigen, dass die Schlaganfallpatienten eine statistisch signifikant geringere Performanz verglichen mit der Kontrollgruppe erreichten. Ungeachtet dessen ergaben sich zwischen Patienten und Kontrollprobanden keine Unterschiede für das online und offline Lernen (Konsolidieren). Weiterhin konnten weder Unterschiede für die motorische Performanz noch für das online und offline Lernen zwischen der Ausführung der motorischen Aufgabe mit der ipsiläsionalen und kontraläsionalen Hand gefunden werden. Anhand der Korrelationsanalysen wurde ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Performanz und dem Alter für die Patienten- und Kontrollgruppe dargestellt. Darüber hinaus resultierten signifikant negative Korrelationen für das Alter beider Gruppen und der Fähigkeit zur Konsolidierung der motorischen Aufgabe. Weder für die Betrachtung des Läsionsvolumens noch des Zeitintervalls zwischen dem Schlaganfall und der Studienteilnahme ergaben sich signifikante Zusammenhänge.
Anhand der Ergebnisse der Studie kann entweder geschlussfolgert werden, dass die schlaganfallbedingten Funktionsverluste für das Erlernen und Konsolidieren von motorischen Fähigkeiten im Kleinhirn durch andere Hirnbereiche kompensiert wurden; oder dass das Kleinhirn nur eine untergeordnete Rolle beim expliziten motorischen Sequenzlernen einnimmt. Zudem liefert die Studie keine Hinweise darauf, dass im Kleinhirn eine Lateralisierung von Funktionen für das explizite motorische Sequenzlernen vorliegt.:1 Einführung
1.1 Aufbau und Funktionsweise des Kleinhirns
1.2 Das Kleinhirn als Ort neuronaler Plastizität
1.3 Effekte einer nicht-invasiven Kleinhirnstimulation
1.4 Die Grundlagen des motorischen Lernens
1.5 Die Rolle des Kleinhirns für das motorische Sequenzlernen
1.6 Rationale der durchgeführten Studie
2 Wissenschaftliche Publikation
3 Zusammenfassung
4 Literaturverzeichnis
Anlagen

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:76102
Date29 September 2021
CreatorsHermsdorf, Franz
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relation10.1007/s12311-019-01097-3

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