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Moderierende Faktoren und Interventionsmöglichkeiten im Kontext von Riechfunktion und depressiven Störungen

Hintergrund: Aufgrund der engen funktionellen Beziehung zwischen den emotionsverarbeitenden und den geruchsverarbeitenden Hirnarealen gehen depressive Störungen oft mit einer veränderten Geruchswahrnehmung einher. Trotz bisher eher kontroversen Forschungsergebnissen in diesem Bereich zeigen sich insgesamt vorwiegend Hinweise für das Vorliegen einer reduzierten Riechfunktion (Hyposmie) bei depressiven Patienten*. Die bisherige Forschung konzentrierte sich jedoch hauptsächlich auf stationär-psychiatrische Patienten, wobei mögliche Einflussvariablen eher selten Berücksichtigung fanden. In der vorliegenden Forschungsarbeit werden daher der Einfluss von Schweregrad, Verlauf und Dauer der Depression auf das Riechvermögen untersucht. Des Weiteren zeigen Studien im Bereich der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, dass ein vermindertes Riechvermögen durch ein regelmäßiges Riechtraining über mehrere Monate verbessert werden kann. Ein solches Training scheint auch das subjektive Wohlbefinden zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wurde anhand der vorliegenden klinischen Stichprobe untersucht, ob ein Riechtraining eine nützliche ergänzende Intervention zur Behandlung von Depressionen sein kann. Fragestellung: Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass ein höherer Schweregrad der Depression, rezidivierende Episoden und eine längere Dauer der Depression mit einem reduzierten Riechvermögen assoziiert sind. Darüber hinaus sollte anhand der vorliegenden klinischen Stichprobe untersucht werden, ob Riechtraining einen positiven Effekt auf depressive Symptome im Sinne einer Symptomreduktion ausübt. In Übereinstimmung mit früheren Forschungsergebnissen auf diesem Gebiet wurde außerdem angenommen, dass das Riechtraining darüber hinaus die Riechfunktion und als 'Nebeneffekt' auch die kognitive Funktionsfähigkeit verbessert. Material und Methoden: Es wurden 102 Patienten (davon 65 Frauen; Durchschnittsalter 38 Jahre) rekrutiert, die sich mit depressiven Störungen in der psychosomatischen Ambulanz der Uniklinik Dresden vorstellten. Sie wurden einer detaillierten medizinischen Anamnese, Testungen der Geruchsschwelle und Geruchsidentifikation sowie Tests zur kognitiven Funktionsfähigkeit unterzogen. Im ersten Teil meines Forschungsprojekts wurden die Teilnehmer nach Schweregrad, Verlauf und Dauer der Depression eingruppiert. Für den Interventionsteil der vorliegenden Forschungsarbeit wurden dieselben Patienten nach dem Zufallsprinzip einer der beiden folgenden Bedingungen zugeordnet: Geruchstraining zweimal täglich über 16 Wochen oder unspezifisches kognitives Training mit Sudoku-Aufgaben im gleichen Zeitintervall. Die Einhaltung des Trainings wurde kontinuierlich durch Telefonanrufe sowie regelmäßiges Führen eines Trainingstagebuches überprüft. Vor und nach dem Training wurden die Riechfunktion (Schwellenwert und Identifikation) und die Ausprägung der depressiven Symptomatik (anhand des BDI) gemessen.
Ergebnisse: Während die Schwere der depressiven Symptome die Riechfunktion nicht beeinträchtigte, war dies für den Verlauf und die Dauer der Depression der Fall. Wiederkehrende depressive Störungen standen mit einer reduzierten Geruchsidentifikation im Zusammenhang, jedoch nicht mit Veränderungen der Geruchsschwelle. Die Dauer der Erkrankung hingegen war negativ mit der Geruchsschwelle assoziiert, jedoch nicht mit der Geruchsidentifikation. Dieser Effekt wurde einerseits teilweise durch selbstberichtete häufige Erkältungen moderiert, welche bei depressiven Patienten mit einer längeren Erkrankungsdauer (>12 Monate) häufiger auftraten, sowie andererseits durch eine bei rezidivierend Depressiven häufiger reduzierten verbalen Flexibilität. Bei der Trainingsintervention absolvierte etwa die Hälfte der Patienten (48%) das Training, während 52% das Training vorher abbrachen. Diese Abbruchquote war gleichmäßig auf die beiden Trainingsbedingungen verteilt. Bei den Patienten, die das Training absolvierten (n = 49; Experimentalgruppe: n = 25, Kontrollgruppe: n = 24), nahm die Schwere der Depression im Laufe der Zeit deutlich ab. Dieser Effekt wurde in beiden Gruppen beobachtet. Das Fehlen eines Interaktionseffekts zeigte keine selektive Wirkung des Riechtrainings auf die Symptomreduktion einer Depression. Aufgrund eines relativ hohen SDI-Ausgangswertes in der Riechfunktion verbesserte sich das Riechvermögen im Laufe des Trainings nicht. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse stützen diejenigen der bisherigen Forschungsbefunde, welche postulieren, dass Depressionen nicht einheitlich mit Riechstörungen zusammenhängen. Zusätzlich konnte ein Zusammenhang zwischen Riechvermögen, sowie der Dauer und dem Verlauf der Depression aufgezeigt werden. Die Ergebnisse generieren zudem die Hypothese, dass eine reduzierte Geruchsidentifikation durch kognitive Beeinträchtigungen bei wiederkehrenden Depressionen verursacht wird. Darüber hinaus kann der Zusammenhang zwischen Riechschwelle und Depression vermutlich teilweise durch eine kumulative Schädigung des olfaktorischen Epithels nach häufigen Atemwegserkrankungen erklärt werden. Als Implikationen für die Praxis wird anhand der vorliegenden Forschungsergebnisse abgeleitet, dass Patienten mit diagnostizierter Depression von einer frühzeitigen Behandlung im Hinblick auf die Symptomreduktion und die Verbesserung der Lebensqualität, sowie der Prävention potenzieller Begleitsymptome und frühen Intervention zur Vermeidung drohender Riechstörungen profitieren könnten. Ärzte sollten den Zusammenhang zwischen reduzierter Geruchswahrnehmung, rezidivierenden depressiven Episoden und der Dauer der Depression bei der Behandlung depressiver Patienten berücksichtigen. Die Interpretation wird jedoch durch das Querschnittsforschungsdesign, das keine kausale Interpretation zulässt, und durch mögliche Verzerrungen in der Auswertung der Krankengeschichte, die auf den subjektiven Berichten der Patienten basiert, begrenzt. In Anbetracht der relativ geringen Compliance und der mangelnden Wirksamkeit kann zum aktuellen Zeitpunkt auf der Basis der vorliegenden Forschungsergebnisse das Riechtraining nicht als nützliche Behandlungsoption für depressive ambulante Patienten empfohlen werden. Ein selektiver positiver Effekt im Sinne einer Reduktion depressiver Symptome in der Riechtrainingsgruppe war insofern nicht zu erwarten, da sich auch die Riechfunktion in der vorliegenden Stichprobe von depressiven ambulanten Patienten im Verlauf des Riechtrainings nicht verbesserte. Eine weitere mögliche Erklärung für das Ausbleiben selektiver Trainingseffekte ist die verminderte Motivation bei Patienten mit Depression, welche das Trainingsoutcome verzerrt haben könnte. Dies spiegelt sich in der hohen Dropout-Quote in der vorliegenden Stichprobe wider. Bei den übrigen Teilnehmern zeigte die Analyse der Tagebücher jedoch eine gute Trainingscompliance. Alternativ kann vermutet werden, dass der Schweregrad der Depression bei den Patienten in unserer Stichprobe nicht ausgeprägt genug war, um einen Effekt des Riechtrainings zu zeigen, der über eine Spontanremission hinausgeht. Daher sollten besonders schwer depressive stationäre Patienten, die gleichzeitig eine Beeinträchtigung des Riechvermögens aufweisen, untersucht werden, bevor die Idee von Riechinterventionen bei Depressionen aufgegeben wird. In zukünftigen Studien könnte außerdem einerseits die Durchführung des Trainings engmaschiger überprüft und begleitet werden, andererseits könnten aber auch weitere Methoden der Riechstimulation untersucht werden, die weniger von einer individuellen Motivation der Studienteilnehmer abhängig sind.:Zusammenfassung
1. Einführung in die Thematik
1.1 Theoretischer Hintergrund
1.2 Hypothesen
1.3 Forschungsdesign
1.4 Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen
2. Wissenschaftliches Paper 1 - Der Einfluss von Schwere, Verlauf und Dauer der Depression auf die Riechfunktion
3. Wissenschaftliches Paper 2 - Riechtraining mit depressiven Patienten – eine randomisiert-kontrollierte klinische Studie
4. Diskussion und Ausblick

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:77730
Date31 January 2022
CreatorsPabel, Luise Dorothea
ContributorsCroy, Ilona, Hähner, Antje, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman, English
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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