Die partizipative Entscheidungsfindung (eng. Shared Decision Making) spielt eine im¬mer größere Rolle im medizinischen Alltag und wird nicht nur von staatlicher Sei¬te, sondern auch von Patienten und Ärzten immer stärker eingefordert. Dieses Modell der partnerschaftlichen Patient-Arzt-Beziehung ist durch einen gemeinsamen Ent¬schei¬dungs¬findungsprozess gekennzeichnet. Es bewirkt, dass Patienten aktiver an Entscheidungen teilnehmen und realistischere Erwartungen an die Behandlung aus diesem Entscheidungsprozess mitnehmen können. Sogar Behandlungs¬ergebnisse werden verbessert und das Gesundheits¬sys¬tem pro¬¬fitiert von einer deutlichen Kostensenkung. Trotzdem wird das Shared Decision Making im Praxisalltag selten strukturiert angewandt und konnte sich in alltäglichen Be¬hand¬lungs¬abläufen noch nicht gänzlich durchsetzen. Studien fanden heraus, dass es einige Fak¬toren gibt, die mit dem Wunsch nach einer partizipativen Therapie¬entscheidung ein¬hergehen.
Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, welche Anforderungen die Probanden an den Therapie¬entscheidungsprozess stellen und welche Faktoren den Wunsch nach par¬tizipativer Therapieentscheidung beeinflussen. Diese Ergebnisse sind gleich¬zei¬tig wichtige Informationen für die Patient-Arzt-Beziehung im Praxisalltag, da man ent¬sprechende Konsequenzen für den alltäglichen Behandlungsablauf ableiten kann.
Es wurde eine telefonische Befragung in drei deutschen Städten mit insgesamt 466 Pro¬banden erfolgreich durchgeführt. Der Fragebogen umfasste 53 Items, die nach so¬ziodemographischen Informationen, nach gewünschten Charakteristika des Zahn¬arz¬tes sowie der Praxis und der Mundgesundheit der Probanden fragten. Es wurde auch die gewünschte Form der Therapieentscheidung ermittelt, wobei die Pro¬ban¬den angaben, ob der Zahnarzt, der Patient oder beide gemeinsam mit Haupteinfluss einer Partei über die Therapie entscheiden sollten.
Die Daten wurden in ACCESS erfasst und mit SPSS ausgewertet. Zur Beurteilung der Signifikanz der Ergebnisse, wurde der Chi-Quadrat-Test angewandt, wobei Er¬geb¬nisse der statistischen Analysen mit einem p-Wert < 0,05 statistisch signifikant sind.
7,2 % der Probanden forderten eine Therapieentscheidung durch den Zahnarzt und 35,4 % eine gemeinsame mit Haupteinfluss durch den Zahnarzt. 17,4 % der Be¬frag¬ten antworteten, dass sie eine Therapieentscheidung durch den Patienten be¬vor¬zu¬gen und 40,0 % stimmten für eine gemeinsame Entscheidung mit Haupteinfluss des Pa¬tienten. Die jüngste Altersgruppe stimmte eher für eine Therapieentscheidung durch den Patienten und die Älteren für eine durch den Zahnarzt oder zumindest mit Haupteinfluss durch den Zahnarzt. Männliche Pro-ban¬den forderten häufiger eine Therapieentscheidung durch den Patienten als Frau¬en. Zahnlose Probanden oder solche mit abnehmbarem Zahnersatz gaben öfter an, ei¬ne Therapie¬entscheidung durch den Zahnarzt zu befürworten als Probanden mit ei¬gener Bezahnung. Probanden, die im Rahmen des OHIP-G5 Beschwerden an¬ga¬ben, forderten stärker eine Therapie¬entscheidung durch den Zahnarzt. Probanden mit einer guten Schulbildung und einer höheren Berufsausbildung bevorzugten eine The¬rapieentscheidung durch den Patienten. Das Vorhandensein eines Haus¬zahn¬arz¬tes ging einher mit einem stärkeren Wunsch nach einer Therapieentscheidung durch den Patienten. Die Probanden, deren letzter Zahnarztbesuch im Median län¬ger zurücklag und diejenigen, die länger an ihren Zahnarzt gebunden waren, be¬vor¬zug¬ten eine Therapieentscheidung durch den Zahnarzt. Der Wunsch nach einem be-stimmten Geschlecht oder Alter des Zahnarztes war unabhängig von der Wahl der Therapieentscheidungsform. Allerdings stimmten die Probanden, die eine län¬gere Berufserfahrung des Zahnarztes forderten, häufiger für eine The¬rapie-ent¬schei¬dung durch den Zahnarzt. Bestimmte Charakteristika des Therapieentscheidungs¬pro¬zesses, wie Aufklärung und Information über Alternativen, Kosten und die ge¬wähl¬te Behandlung, zeigten sich unabhängig von der Forderung nach einer be¬stimm¬ten Form der Therapieentscheidung. Der Wunsch, den Zahnarzt eigenständig aus¬¬zusuchen ging einher mit der Präferenz einer Therapieentscheidung durch den Pa¬¬tienten selbst. Im Vergleich zur Forderung einer bestimmten Form der Therapie¬ent¬scheidung beim Arzt ergab sich eine Tendenz, dass Probanden beim Arzt stärker die Entscheidung durch diesen bevorzugten als beim Zahnarzt.
Mehr als 70 % der Probanden wünschten eine gemeinsame Entschei¬dungs-findung, wes¬halb die partizipative Entscheidungsfindung auch in Zukunft gefördert werden sollte. Um die Wünsche des Patienten individuell einschätzen zu können, kann sich der behandelnde Arzt an Parametern wie dem Alter und dem Bildungs¬stand orien¬tie¬ren. Um die Implementierung des Shared Decision Making zu verbessern, sollte wie¬ter¬hin intensive Versorgungsforschung betrieben werden. Auch in der Aus-, Fort- und Wei¬terbildung des Zahnmediziners bedarf es einer nachhaltigen Etablierung dieser The¬ma¬tik. Gleiches gilt für den Berufsalltag, in dem verstärkt auf sogenannte Ent¬schei-dungs¬hilfen Wert gelegt und die Um¬setzung im Nachhinein evaluiert werden sollte.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:76908 |
Date | 07 December 2021 |
Creators | Ryba, Marilena |
Contributors | Universität Leipzig |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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