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Zwischen interaktiver Anstrengung und rechtlichem Schutzgut – Koordinaten eines soziologischen Würdekonzeptes

Sowohl die öffentlichen wie die akademischen Auseinandersetzungen um Gehalt und Bedeutung der Menschenwürde werden bis heute von der Philosophie, den Rechtswissenschaften und der Theologie dominiert; Stimmen aus der Soziologie werden hierzu nur vereinzelt vernommen. Der Beitrag verfolgt zunächst das Ziel, unter Rückgriff auf ‚würdesensible‘ klassische Autoren Koordinaten eines genuin soziologischen Würdekonzepts zu entwickeln, das Probleme des menschlichen Ausdrucks und gesellschaftsstrukturelle Faktoren (u. a. städtische Öffentlichkeit, Arbeitsteilung, Rollenvielfalt) in strenger Weise zusammendenkt. Im ersten Kapitel (1) wird daher insbesondere auf Helmuth Plessners Grenzen der Gemeinschaft und Erving Goffmans Interaktionssoziologie Bezug genommen, um in einem eher induktiven, phänomenzentrierten Zugriff überhaupt erst diejenigen Situationen und die zugehörigen gesellschaftlichen Randbedingungen zu identifizieren, in denen das Problem der Würde in einem soziologisch distinkten Sinne akut wird. Das anschließende Kapitel (2) verfolgt mit Georg Simmel, Émile Durkheim und Niklas Luhmann zunächst eine rollentheoretische Präzisierung des Würdekonzeptes, die sich vor allem an der problematischen Annahme Peter L. Bergers abarbeitet, dass die vermeintlich bruchlose Ablösung von traditionellen Ehrvorstellungen durch den Würdekomplex gleichbedeutend wäre mit einer Bedeutungsminderung gesellschaftlicher Rollenerwartungen. Das letzte Kapitel (3) hält den systematischen Ertrag der vorangegangenen Überlegungen fest und widmet sich abschließend der Frage, in welchem Verhältnis dieser Ertrag zu dem normativ emphatischen Verständnis von Menschenwürde steht, wie es dem in Philosophie und Verfassungsrecht nach wie vor dominanten Unverlierbarkeitspostulat zugrunde liegt. / Both public and academic debates about the concept of human dignity are to date dominated by philosophical, legal and theological perspectives, while sociological contributions remain conspicuously scarce. This article aims at developing a genuine sociological concept of dignity, which binds together problems of human expression with socio-structural conditions of modernity (urban public sphere, division of labour, variety of roles, etc.). The argument unfolds in three steps: first, drawing upon the works of Helmuth Plessner, Erving Goffman and Niklas Luhmann, I identify those situations which allow us to distinguish problems of dignity from those associated with other expectational forms (particularly honour). Secondly, I turn to Simmel, Durkheim and Luhmann in order to pursue a role-theoretical clarification of the concept of dignity. Finally, I inquire into the question of how the systematic yield of these sociological considerations relates to the emphatic and heavily normative understanding of human dignity which pervades recent philosophical and juridical discourses.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:89758
Date22 April 2024
CreatorsWöhrle, Patrick
PublisherSpringer
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:article, info:eu-repo/semantics/article, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relation1862-2585, 10.1007/s11614-022-00493-0

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