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Das Politikum Wolf: Spurensuche nach den politischen Funktionalisierungen eines denaturalisierten Tieres

Die Arbeit widmet sich aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive den politischen Funktionen des Wolfs. Anlass ist die auffällige Parallelisierung von Wölfen, die seit 2000 wieder beständig in Deutschland leben, mit der Konzeption von „Flüchtlingen“. Damit erscheint eine Fokussierung des Wolfs als soziologische Figur sinnvoll. Mithilfe des qualitativen Forschungsansatzes „systematische Metaphernanalyse“ werden Aspekte des Politikums Wolf rekonstruiert, die in Konzepten erfasst und theoretisiert werden.
Die Ausarbeitung liefert einen Anstoß dafür, die spezifische Politikfähigkeit des Phänomens überhaupt verstehen und bearbeiten zu können. Als zentrale Erkenntnis der Arbeit steht die verständlich gewordenene Konstitution des Wolfs als Bedeutungsträger unterschiedlicher Normvorstellungen sowie als Repräsentant des Verschwindens von normativen Ordnungen.
Wird der Wolf als ein die normative Ordnung angreifendes, zersetzendes oder verunreini-gendes – und nicht etwa lediglich als punktuell auftretende Ursache des „Verschwindens“ physischer Nutztiere – Element gesehen, mutiert er zum Antagonisten derer, die den Verlust fürchten. Das als von außen oktroyiert empfundene Aushalten der uneingeschränkten Freiheit jenes Eindringlings wird zum Motiv eines Resouveränisierungsnarrativs, über das die erodierende normative Ordnung wiederhergestellt werden muss. Die Figur des Wolfes wird dann insofern politisiert, als dass dieser – paradoxerweise als Hinzukommender – Stellvertreter und Repräsentant des Verschwindens wird: des Verschwindens der „eigenen Art zu leben“, der „Freiheit“, der Verfügungsgewalt über Leben und Tod.
Wird der Wolf hingegen als eine der normativen Ordnung entsprechende und sie stabilisierende Figur verhandelt, ist der Repräsentant des Verschwindens nicht der Wolf, sondern dasjenige Element, das seine „Retter“-Funktion zu untergraben scheint. Das Moment des Verschwindens oder allein die Angst vor dieser Erosion hat in beiden Fällen etwas Konservatives im wörtlichen Sinne: als ein Bewahren, Behalten und Verteidigen (imaginierter) Ordnungen
Obwohl nun die im öffentlichen Diskurs kommunizierten „Fakten“ des politischen Problems häufig klar zu sein scheinen, ist es die Konstitution der Problematisierung in versteckten, nur subkulturell zugänglichen Diskursen häufig nicht. Das Wolfsmanagement in Deutschland erfasst zwar akribisch jede Sichtung von Wölfen, ihre Reproduktionsraten, die durch Nutztierrisse verursachten ökonomischen Schäden und Todfunde. Die Fokussierung auf diese formalisierten, offiziellen Verfahren, Richtlinien und administrative Prozesse wird aber nicht ausreichen, wenn man den in dieser Arbeit entdeckten Bedeutungen des Problems nachgeht: nämlich dem Wolf als Bedeutungsträger verschiedener normativer Ordnungen. Um dem Problem zu begegnen, müsste – zumindest, wenn eine konstruktive Konfliktaustragung eines funktionalisierten Phänomens erstrebenswert scheint – eine Re-Definition des Problems „Wolf“ erfolgen.:Inhaltsverzeichnis 2
Einleitung 4
1 Herleitung des Problems: Die Krux mit dem Wolf 7
1.1 Die Rückkehr der Wölfe: Ein anthropogenes Problem 7
1.1.1 Grundlagen und Gründe der Rückkehr der Wölfe 8
1.1.2 Wolfsmanagement in Deutschland 10
1.1.3 Nutztierrisse und Bejagung: Das Problem des tötenden Subjekts 12
1.2 Kulturhistorischer Blick auf das Verhältnis von Mensch und Wolf 14
1.3 Forschungsstand: Konflikte zwischen Menschen über den Wolf 17
1.3.1 Quantitative Einstellungsuntersuchungen 18
1.3.2 Qualitative Konfliktforschung 20
1.4 Erkenntnisinteresse und Fragestellungen 25
2 Methodisches Konzept: Forschen als Spurensuche 30
2.1 Datengewinnung im zyklischen Forschungsprozess 31
2.1.1 Heuristische Hilfen und Nosing Around 31
2.1.2 Leitfadengestützte Interviews 34
2.2 Relevanz einer Methodentriangulation 37
2.2.1 Systematische Metaphernanalyse 38
2.2.2 Interpretative Modellierung: Die Positions-Maps 44
3 Systematische Metaphernanalyse 46
3.1 Der Jäger (IV-A): Rekonstruktion metaphorischer Konzepte 47
3.1.1 NATUR IST EIN GESCHLOSSENER BEHÄLTER 48
3.1.2 WOLF IST EINE ÜBERZÄHLIGE SUBSTANZ IN DER NATUR 50
3.1.3 WISSEN IST EIN EXKLUSIVES WERKZEUG 53
3.1.4 GESELLSCHAFT IST EIN TENDENZIELL INSTABILES GEBÄUDE 56
3.1.5 These: „Wölfe“ werden wie „Einwanderer“ konstituiert 58
3.2 Der Landwirt (IV-B): Rekonstruktion metaphorischer Konzepte 59
3.2.1 WOLF IST EINE SCHWERE LAST 60
3.2.2 LAND IST DRAUßEN; POLITIK IM ABSEITS 62
3.2.3 GESELLSCHAFT IST EINE SUBSTANZ, DIE SICH NACH UNTEN BEWEGT 64
3.2.4 These: Die „Leute auf dem Land“ werden als Tragkraft des schweren Jochs der „Rückkehr der Wölfe“ konstituiert. 67
3.3 Der Wolfsbotschafter (IV-C): Rekonstruktion metaphorischer Konzepte 68
3.3.1 NATUR IST EINE MASCHINE; WOLF IHR ORGANISATOR 68
3.3.2 NATURSCHUTZ IST EIN KAMPF DER UNTERLEGENEN 72
3.3.3 These: Das partikularistisch entworfene Naturschutz-„Wir“ steht dem universalistisch konzipierten Feind „Politik“ gegenüber 73
3.4 Implikationen der konzeptuellen Metaphern: Die (un)natürliche Gefahr? 74
4 Die positionierte Metapher: Topografie des Politikums Wolf 80
5 Theoretisierung der Erkenntnisse 82
5.1 Die Angst vor der Erosion der normativen Ordnung 82
5.2 Hidden transcripts und Infrapolitik 85
6 Ausblick: Die Re-Organisierung des Wolf-Problems 89
7 Abbildungsverzeichnis 91
8 Abkürzungsverzeichnis 92
10 Literaturverzeichnis 93

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72458
Date19 October 2020
CreatorsBetche, Pauline
ContributorsPauline Betche, Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:masterThesis, info:eu-repo/semantics/masterThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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