Brachyzephalie beim Hund: Identifizierung von Kandidatengenen

Einleitung: In der Tiermedizin sind nahezu 800 erblich bedingte Erkrankungen bekannt. Praktisch alle Hunderassen leiden unter solch einer Erkrankung. Für die Ausprägung der Brachyzephalie gibt es derzeit keinen eindeutigen Hinweis auf eine zugrundeliegende Genveränderung. In der Humanmedizin ist die kongenitale Brachyzephalie Folge einer Kraniosynostose (vorzeitigen Verknöcherung einer
oder mehrerer Schädelnähte). Für die verschiedenen syndromalen Kraniosynostosen sind die verantwortlichen Gendefekte bereits definiert. In der Tiermedizin können in Analogie entsprechende Kandidatengene postuliert werden. Ob Veränderungen in diesen Kandidatengenen tatsächlich zu einer vergleichbaren klinischen Ausprägung der kaninen Brachyzephalie führen, wurde für das FGFR2-Gen in dieser Arbeit untersucht.
Ziel: Ziel dieser Arbeit war es die Hypothese zu prüfen, dass Veränderungen in Genen, die bekannterweise bereits in der Humanmedizin in Zusammenhang mit genetisch bedingter Brachyzephalie stehen, auch für die kanine Brachyzephalie als Kandidatengene fungieren können.
Tiere und Methoden: Für die Untersuchungen wurden EDTA-Blutproben und Maulschleimhautabstriche verwendet. Insgesamt wurde eine Gruppe von 106 Tieren untersucht, davon waren 51 Tiere vom Phänotyp normozephal und umfassten 33 verschiedene Rassen. 55 Tiere entsprachen dem brachyzephalen Phänotyp, gehörten zu den Rassen FB, Mops, EB, BT und OEB und wurden in der Klinik für Kleintiere der Universität Leipzig zur Behandlung eines BAS vorstellig. Die Proben wurden
am Institut für angewandte Humangenetik und Onkogenetik durch die Autorin weiterverarbeitet. Die Auswahl eines geeigneten Kandidatengens erfolgte durch den Vergleich des humanen und kaninen Phänotyps und der klinischen Merkmale von an Kraniosynostose-Syndromen erkrankten Menschen mit brachyzephalen Hunden sowie anhand von Literaturrecherche. Die DNA wurde isoliert, amplifiziert und nach Erstellung der für das Kandidatengen spezifischen Primer, sequenziert und analysiert.
Ergebnisse: Sowohl der phänotypisch-klinische Vergleich zwischen humaner und kaniner Brachyzephalie als auch die Literaturrecherche ergaben, dass das FGFR2-Gen ein ideales Kandidatengen darstellt. Die Erstellung spezifischer Primer für den proteincodierenden Bereich dieses Gens war erfolgreich. Die Sequenzanalyse identifizierte 3 Lokalisationen auf 2 der 17 sequenzierten Exon-Abschnitte des kaninen FGFR2-Gens, die eine Sequenzabweichung aufwiesen. Sie wurden im Folgenden als Varianten VarE2, VarE7 und VarE7AB bezeichnet. Es gab einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Auftreten aller 3 Varianten und der Gruppe „Rasse Brachyzephal“ (Chi2-Wert > 3,841, p-Wert < 0,05), jedoch keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Varianten und der Normozephalen-Gruppe. Ein Zusammenhang der VarE2 und der Patientengruppe (Normo-/Brachyzephal) konnte ebenfalls ausgeschlossen werden, somit auch der Zusammenhang dieser Variante mit dem Auftreten des brachyzephalen Phänotyps.
Die VarE7 trat bei 53 % (29/55) der Brachyzephalen-Gruppe auf. Innerhalb der Gruppe wies die FB mit 90 % (19/21) den höchsten Wert auf, diesem stand der Mops mit einem Auftreten der Variante von nur 22 % (4/18) gegenüber. Die Normozephalen-Gruppe wies, bezogen auf VarE7, lediglich einen Anteil von 28 % (14/50) auf, wobei innerhalb der Gruppe das Auftreten von 40 % nicht überschritten
wurde. Die VarE7AB trat bei 47 % der Brachyzephalen-Gruppe auf, dabei hielt die Rasse Mops den höchsten Anteil von 78 % (14/18). Im Vergleich dazu tauchte diese Variante innerhalb der Normozephalen-Gruppe mit einem vergleichsweise hohen Anteil von 74 % (37/50) auf, wobei das Auftreten innerhalb dieser Gruppe einen relativ gleichmäßig hohen Anteil von 60 - 88% aufwies.
Schlussfolgerungen: Ein klinisch-morphologischer Vergleich zwischen humanen und kaninen Kraniosynostose-Syndromen ist möglich. Ob Mutationen in Kandidatengenen (z.B. FGFR2) des Menschen auch in den analogen Genen beim Hund nachgewiesen werden können, wurde in dieser Arbeit geprüft.
Erstmals wurde die Sequenz des kaninen FGFR2-Gens auf Sequenzabweichungen hin analysiert. Die dabei detektierte Variante VarE7 zeigte einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit dem Auftreten des Phänotyps 'Brachyzephalie' bei der Französischen Bulldogge. Eine weitere Variante, Var7AB, konnte als statistisch signifikant im Zusammenhang mit dem Auftreten des Phänotyps 'Brachyzephalie' bei der Rasse Mops identifiziert werden. Dieser Zusammenhang war allerdings nicht eindeutig verifizierbar. Weitere Studien, insbesondere Funktionsstudien, sind notwendig, um die Auswirkungen der Varianten im FGFR2-Gen auf den Phänotyp zu prüfen.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:79634
Date20 June 2022
CreatorsSchmidt, Giuseppina Franzisca
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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