Einleitung: Zecken sind wichtige Überträger von Pathogenen auf Menschen und Tiere und spielen eine essenzielle Rolle im Infektionsgeschehen verschiedener Zoonosen. Um diese Infektionszyklen zu verstehen, ist es wichtig, das Wirtssuchverhalten der in Deutschland häufigsten Zeckenarten Ixodes ricinus und Dermacentor reticulatus und die Einflüsse von Umweltbedingungen darauf zu kennen. Bei D. reticulatus existieren zwar Studien zum Verhalten und zu Prävalenzen von Pathogenen in erwachsenen oder gesogenen juvenilen Stadien, jedoch ist das Wissen über wirtssuchende juvenile Stadien sehr begrenzt.
Ziele dieser Studie waren: (i) Den Einfluss von Temperatur, relativer Luftfeuchte, Tageszeit und Lichtverhältnissen auf die Wirtssuchaktivität von I. ricinus und D. reticulatus zu untersuchen; (ii) Zu ergründen, ob juvenile Stadien von D. reticulatus durch die Flaggmethode gesammelt werden können und (iii) diese juvenilen Stadien auf das Vorhandensein von Rickettsia raoultii, Babesia spp., Neoehrlichia mikurensis und Bartonella spp. zu testen.
Tiere, Material und Methoden: An drei verschiedenen Standorten (Am Bach „AB“, Eichenwald „EW“ und Wegrand „WR“) im Süden Leipzigs wurden einmal monatlich zu sechs verschiedenen Uhrzeiten mittels Flaggmethode Zecken von der Vegetation abgesammelt. Die Temperatur und relative Luftfeuchte wenige Zentimeter über dem Boden an der Versuchsfläche sowie die Uhrzeit und die Lichtverhältnisse des jeweiligen Versuchsintervalles wurden aufgezeichnet. Die Stadien und Geschlechter der Zecken wurden mikroskopisch mittels morphologischer Merkmale ermittelt. DNA wurde aus den juvenilen Stadien von D. reticulatus extrahiert und sowohl auf das Vorhandensein der oben genannten Pathogene untersucht als auch genetisch auf die Zugehörigkeit zur Spezies D. reticulatus überprüft. Die Larven wurden zur molekularbiologischen Analyse gepoolt, die Erregerprävalenz in ihnen ist darum als minimale Infektionsrate angegeben. Die statistische Analyse erfolgte mit IBM® SPSS Statistics 25. Die Vergleiche der Anzahl der Zecken pro 100 m2 erfolgte mittels Kruskal-Wallis-Test. Wenn dieser signifikante Unterschiede (p≤0,05) ergab, folgte ein direkter paarweiser Vergleich. Die Signifikanz wird nach der Bonferroni-Korrektur angegeben. Zur Analyse des Einflusses von Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf die Zeckenaktivität wurde der Pearson-Korrelationskoeffizient verwendet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 1.815 Zecken in 16 Monaten von der bodenbedeckenden Schicht gesammelt. Davon waren bei I. ricinus 144 Individuen weiblich, 135 männlich, 1107 Nymphen und 232 Larven. D. reticulatus schlüsselte sich in 102 Weibchen, 46 Männchen, 2 Nymphen und 47 Larven auf. Die Aktivität zu verschiedenen Zeitintervallen zeigte nur in Einzelfällen signifikante Unterschiede. Bei Vergleich der Aktivität zu verschiedenen Lichtverhältnissen (hell, dunkel, dämmerig) zeigen sich bei D. reticulatus keine signifikanten Unterschiede. Bei I. ricinus lagen teils signifikante Unterschiede bei verschiedenen Stadien und Lichtverhältnissen vor, ein klares Muster war jedoch nicht erkennbar. Beim Vergleich der durchschnittlichen Zahlen von I. ricinus zu den verschiedenen Lichtverhältnissen jedoch zeigt sich ein Trend zu höherer Aktivität von allen Stadien von I. ricinus während der Dämmerung. Eine positive Korrelation zwischen Temperatur und Anzahl von I. ricinus-Nymphen sowie eine negative Korrelation zwischen Temperatur und Anzahl von D. reticulatus wurde festgestellt. Es bestand keine Korrelation zwischen Zeckenzahlen und relativer Luftfeuchtigkeit. Die oben erwähnten juvenilen Stadien von D. reticulatus konnten im Juni 2018 sowie Juni und Juli 2019 an den Standorten EW und WR (Larven) sowie einmalig im Juli 2019 (Nymphen) auf Versuchsfläche EW mittels Flaggmethode gesammelt werden. Die morphologische Identifikation als juvenile Stadien von D. reticulatus konnte eindeutig mittels PCR bestätigt werden. In der Untersuchung auf Pathogene lag eine Mindestinfektionsrate der Larven von 42,2 % mit Rickettsia raoultii vor; nur eine der Nymphen wurde untersucht und war ebenfalls positiv. Die anderen untersuchten Erreger konnten nicht nachgewiesen werden.
Schlussfolgerungen: Die Tageszeit scheint für die Aktivität von I. ricinus und D. reticulatus nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Die Lichtverhältnisse scheinen jedoch zumindest bei I. ricinus einen gewissen Einfluss zu haben, insbesondere hinsichtlich einer erhöhten Aktivität in der Dämmerung. Hier sollten weitere Studien mit größeren Zeckenzahlen folgen, um mehr signifikante Ergebnisse zu erlangen. Die relative Luftfeuchte beeinflusste die Aktivität der Zecken nicht, ein Einfluss der Temperatur besteht jedoch. Es konnte zudem bewiesen werden, dass im richtigen Zeitfenster tatsächlich juvenilen Stadien von D. reticulatus in der Vegetation oder auf dem Untergrund gesammelt werden können. Weitere Untersuchungen müssen jedoch zeigen, ob das Sammeln der Jungtiere von D. reticulatus mittels Flaggmethode an bestimmte Witterungsbedingungen oder an ein kleines Zeitfenster der Aktivität dieser Lebensstadien gebunden ist, oder ob das Auftreten dieser Stadien mit dem Habitat und spezifischen ökologischen Bedingungen zusammenhängt. Diese Informationen sind nicht nur wichtig für das Wissen über die Ökologie von D. reticulatus, sondern auch für ein besseres Verständnis der Infektionszyklen von zeckenübertragenen Krankheiten. Der Nachweis von Rickettsia raoultii in mittels Flaggmethode gesammelten D. reticulatus-Larven deutet darauf hin, dass die transovarielle Übertragung ein effizienter Weg und möglicherweise sogar essenziell zur Aufrechterhaltung des Infektionszyklus dieses Erregers sein könnte.:Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Literaturübersicht
2.1 Klassifikation, Taxonomie und geschichtlicher Hintergrund von I. ricinus und D. reticulatus
2.2 Lebenszyklus
2.3 Wirte
2.4 Wirtssuchverhalten
2.4.1 Habitat
2.4.2 Saisonalität
2.4.3 Abhängigkeit von Wettervariablen
2.4.4 Zusammenhang mit Lichtverhältnissen und Tageszeiten
2.5 Auswirkungen auf den Wirt
2.5.1 Physiologie und Auswirkungen des Blutsaugens
2.5.2 Übertragung von Krankheitserregern
2.5.2.1 Babesien
2.5.2.2 Bartonellen
2.5.2.3 Neoehrlichia mikurensis
2.5.2.4 Rickettsien
3. Tiere, Material und Methoden
3.1 Versuchsflächen
3.2 Zeckensammlung
3.3 Statistische Analysen
3.4 Identifizierung der juvenilen Stadien von D. reticulatus
3.5 Untersuchung auf Pathogene
4. Ergebnisse
4.1 Gesamtzahl der Zecken
4.2 Saisonale Aktivitätsmuster
4.3 Diurnale Aktivitätsmuster
4.4 Einfluss der Lichtverhältnisse auf die Zeckenaktivität
4.5 Einfluss von relativer Luftfeuchte und Temperatur
4.6 Juvenile Stadien von D. reticulatus
5. Diskussion
6. Zusammenfassung
7. Summary
8. Literaturverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
10. Tabellenverzeichnis
11. Danksagung
12. Anhang
12.1 PCR-Protokolle zum Nachweis von Babesia spp., Bartonella spp., Neoehrlichia mikurensis und Rickettsia spp.
12.2 Publikation
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:90558 |
Date | 18 March 2024 |
Creators | Schmuck, Hannah Maureen |
Contributors | Universität Leipzig |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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