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Embodied Self-Control

„Selbstkontrolle“ bezieht sich auf die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen zu regulieren, insbesondere dann, wenn ein Akteur irgendeine Form von motivational Opposition erfährt, wie die Versuchung, etwas anderes zu tun, oder einen Zustand allgemein verminderter Motivation. Diese Fähigkeit ist eine mentale und wird daher traditionell als auf einem Prozess basierend angesehen, der ausschließlich im Gehirn stattfindet. Die Entwicklung einer situierten Theorie von Kognition - der Ansicht, dass der Geist nicht nur im Gehirn existiert, sondern notwendigerweise auch externe Faktoren wie den Körper, die unmittelbare Umgebung und soziale Netzwerke umfasst - ermöglicht uns eine neue Perspektive auf die Funktionsweise von Selbstkontrolle. Einige haben zwar bereits den Begriff der situierten Kognition auf Selbstkontrolle angewendet, eine umfassende situierte Theorie der Selbstkontrolle wurde bisher aber noch nicht entwickelt. Diese Arbeit zielt darauf ab, genau diesen Beitrag zu leisten, und für ein situiertes Modell der Selbstkontrolle zu argumentieren.
Das erste Kapitel der Arbeit ist ein Artikel mit dem Titel „Über die Grenzen des Gehirns hinweg: Warum Selbstkontrolle ein situiertes Phänomen ist“. In diesem Aufsatz argumentiere ich dafür, dass eine effektive und effiziente Theorie der Selbstkontrolle zwingend erfordert, dass wir eine lokalisierte Perspektive einnehmen. Empirische Daten zeigen, dass das Gehirn von Personen, bei denen chronische Störungen der Selbstkontrolle auftreten (z. B. Süchtige und Prokrastination betreibende) so beschaffen ist, dass die Zuhilfenahme von rein gehirnbasierten Ressourcen zur Selbstkontrolle maßgeblich erschwert ist. Dementsprechend bieten Theorien der Selbstkontrolle, die diese Fähigkeit nur auf das Gehirn beschränken, nur wenig effiziente Strategien für den Umgang mit den Dilemmata der Selbstkontrolle, da solche Strategien für Personen, die bereits negative Erfahrungen mit Selbstkontrolle gemacht haben, immer schwieriger zugänglich werden. Darüber hinaus argumentiere ich in dem Aufsatz, dass solche rein gehirnbasierten Strategien auch wenig effektiv sind, da empirische Belege darauf hindeuten, dass externe Faktoren wie der Körper, die unmittelbare Umgebung und soziale Netzwerke tatsächlich für eine erfolgreiche Selbstkontrolle erforderlich sind.
Das folgende Kapitel der Arbeit ist ein Artikel mit dem Titel „Den Geist wieder zusammensetzen: Ein situiertes Modell als Alternative zur Auffassung des geteilten Geistes“. Dieser Aufsatz konzentriert sich auf Zwei-Prozess-Theorien der Selbstkontrolle, die Selbstkontrolle als eine Fähigkeit darstellen, die zu einem von zwei klar getrennten motivatonalen Prozessen im Gehirn gehört. Diese Ansichten gehen insbesondere davon aus, dass Selbstkontrolle zu dem Prozess gehört, der für langsames und bewusstes rationales Denken verantwortlich ist, im Gegensatz zu dem Prozess, der für schnelles und automatisches impulsives Denken verantwortlich ist. Der Aufsatz wirft zwei explanatorische Herausforderungen für eine solche Perspektive auf: die Berücksichtigung der Rolle, die Emotionen in bestimmten Fällen der Selbstkontrolle wahrscheinlich spielen, und die Rolle, die situierte Faktoren (d.h. der Körper, die unmittelbare Umgebung und soziale Netzwerke) für Selbstkontrolle zu spielen scheinen. Der Aufsatz präsentiert dann ein alternatives situiertes Modell zielorientierten Verhaltens, das mit diesen explanatorischen Herausforderungen umgehen kann, da dieses Modell die Rolle von Emotionen und situierten Faktoren berücksichtigt. Das Modell soll eine genauere Darstellung der
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tatsächlichen Funktionsweise der Selbstkontrolle auf der Grundlage neuer empirischer Erkenntnisse liefern.
Das letzte Kapitel der Arbeit ist ein Artikel mit dem Titel „Mit Fiero gegen Feuer kämpfen: Mit Stolz eigensinnigen Wünschen entgegenwirken“. Dieser Aufsatz legt nahe, dass authentischer Stolz ein plausibler Kandidat für eine sogenannte „Selbstkontroll-Emotion“ ist. Ich argumentiere dafür, dass der physische Ausdruck von Stolz möglicherweise von einem Akteur in einem Selbstkontroll-Dilemma genutzt werden kann, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Selbstkontrolle signifikant zu erhöhen, ohne sich auf bewusst beabsichtigte mentale Anstrengungen verlassen zu müssen. Empirische Belege, die die verschiedenen Komponenten des physischen Ausdrucks von Stolz (z. B. Körperhaltung) mit erfolgreicher Selbstkontrolle verbinden, stützen diesen Vorschlag. Während ich in den anderen beiden Aufsätzen für situierte Selbstkontrolle im Allgemeinen argumentiere und dazu, welcher situierte Faktor für eine erfolgreiche Selbstkontrolle in Momenten, in denen ein Akteur mit motivationalem Widerstand konfrontiert ist, am wichtigsten ist, agnostisch bleibe, beziehe ich in diesem Aufsatz zu diesem Thema Stellung. Während die unmittelbare Umgebung und die sozialen Netzwerke sicherlich wichtige Faktoren dafür sind, wie wahrscheinlich eine erfolgreiche Selbstkontrolle ist, ist der Körper in Momenten, in denen ein Akteur mit motivationalem Widerstand konfrontiert ist, wohl der am besten zugängliche Faktor. In diesem Artikel wird ein konkretes Beispiel dafür vorgestellt, wie der Körper manipuliert werden kann, um das relevante Verhalten zu erzeugen, während die Emotion als Brücke zwischen dem physischen Zustand und dem Verhaltenszustand des Akteurs fungiert.
Zusammengenommen liefern die drei Arbeiten ein Argument dafür, dass eine situierte Theorie der Selbstkontrolle - in erster Linie eine verkörperlichte Theorie - nicht situierten Theorien überlegen ist, die davon ausgehen, dass nur das Gehirn für erfolgreiche Selbstkontrolle verantwortlich ist. Der wahre Vorteil einer situierten Theorie der Selbstkontrolle besteht darin, dass eine solche Theorie viel effektivere und effizientere Lösungen für Dilemmata der Selbstkontrolle bietet. Impulskontrollstörungen sind zu so weit verbreiteten klinisch diagnostizierten psychischen Störungen geworden, dass die fünfte Edition des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychological Association ihnen ein ganzes Kapitel gewidmet hat. Gleichzeitig weisen traditionelle Therapien eine geringe Erfolgsquote auf und erfordern jahrelange Beratung, bevor Ergebnisse beobachtet werden können. Die Notwendigkeit effektiverer und effizienterer Strategien erfordert einen Paradigmenwechsel, und eine situierte Theorie der Selbstkontrolle bietet dafür eine vielversprechende Lösung.

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-osnabrueck.de/oai:osnadocs.ub.uni-osnabrueck.de:ds-202203286482
Date28 March 2022
CreatorsMorciglio, Jumana
ContributorsProf. Dr. Sven Walter, PD Dr. Uwe Meyer
Source SetsUniversität Osnabrück
LanguageEnglish
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/zip, application/pdf
RightsCC0 1.0 Universal, http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/

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