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Kratologische Überlegungen zur Wechselwirkung von ordentlicher Gewalt und systemoppositioneller Gewalt

Innerhalb der Soziologie haben kratologische Überlegungen bekanntlich schon eine längere Tradition. Schwerpunkte
dieser Arbeit sind insbesondere die Studentenbewegung in der BRD, die Außerparlamentarische Opposition und die
später folgenden Bürgerinitiativen und als Kernpunkt die Rote Armee Fraktion. Mein tieferes Interesse liegt darin, anhand
dieser Schwerpunkte aufzuzeigen, dass Gewaltverhältnisse durchaus durch Träger politischer Macht und staat- liche
Instanzen hergestellt werden können, wodurch erst die Aktivierung des staatlichen Gewaltmonopols als gerechtfertigt
erscheint. Mit den sich durch die Arbeit ziehenden Fragen um staatliches Gewaltmonopol und Innere Sicherheit,
letztendlich Systemintegration versus Opposition, die sich nicht mehr modell-demokratisch zu vergewissern weiß, wird
die weder sozialhistorisch noch soziologisch neue Erkenntnis nicht nur revitalisiert, sondern die "kratologischen
Überlegungen" verweisen auf neuere Dimensionen innerhalb der Soziologie. Die Doppeldeutigkeit des Begriffs Gewalt
wird in staatstheoretischen und strafrechtlichen Zusammenhängen verortet. Als ein erstes Resultat könnte gesehen
werden, dass als eine völkerrechtliche Anerkennung für einen Staat gilt, dass er sein Gewaltmonopol auch durchsetzen
kann. Diese Fähigkeit konstituiert einen modernen Staat, ohne aber gleichzeitig etwas über dessen Legitimation
auszusagen. Auf der Grundlage von Ausführungen, Erörterungen und kritischen Einschätzungen von Max Webers
Analysen und Erklärungen über Macht, Herrschaft und staatliches Gewaltmonopol, Bürgergehorsam und
Widerstandsrecht (bzw. -pflicht?) und des Begriffs Gegengewalt werden einige Methoden und deren Legitimation der
Ortung, Definition und schließlich Bekämpfung politisch motivierter Oppositioneller vorgestellt. An zeitlichgeschichtlich
neueren systemgegnerischen Bewegungen wird mit Hilfe von Fritz Sacks Eskalationsmodell demonstriert, mit welchen
legal anleihenden oder fallbezogen, Legalität herstellenden Mitteln linksoppositionellen Gruppierungen begegnet wurde.
Die Radikalisierung der sogenannten Roten Armee Fraktion hätte trotz entgegenlautender Zitate aus ihren Schriften nicht
in der Weise eskalieren können, wenn nicht die im Vergleich zu gleichgelagerten Alltagsdelikten, extrem politisch-
demagogisch aufgeladene Fahndungsintensität den Weg in die Illegalität gewiesen hätte, die das Begehen weiterer
schwerwiegender Straftaten begünstigte. Die Schriften der Roten Armee Fraktion eigneten sich kaum dazu, aus
systemoppositionellen Sympathisanten weitere Mitglieder zu rekrutieren. Vielmehr wurde der politische Diskurs mit
möglichen Sympathisanten abgebrochen. Von staatlichen Institutionen wurden die Schriften aber zur legitimatorischen
Verschärfung juristischer wie polizeilicher Intervention verwendet. Es wird versucht, die Argumentation zu untermauern,
dass Normalität zum Zweck der Eigendefinition und Binnenstabilität der von ihr definierten Abweichung und ihrer Träger
bedarf. Der Staat hat allem Anschein ein Interesse an solcher Systemopposition bzw. muss ein solches Interesse haben,
die ihn in Frage stellt. Durch die Bearbeitung der gesetzgeberischen Konsequenzen, der Rolle des Staatsschutzes und der
Rolle und Funktion der Polizei wird versucht deutlich zu machen, in welche Funktion die Verfolgung vorgeblich
systemgefährdender (politischer) Gegner genommen werden konnte und ist. Der Begriff Systemgegner konnte fast
beliebig erweitert werden, die prospektiv auf Grund ihrer Aktivitäten in den politischen, juristischen und polizeilichen
Blick genommen wurden. Auf nationalem wie internationalem Terrain können Tendenzen zur Militarisierung polizeilicher
Strategien gegen Systemopposition ausgemacht werden, Strafrecht kann zum Mittel psychologischer Kriegsführung
intstrumentalisiert werden.

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-osnabrueck.de/oai:repositorium.ub.uni-osnabrueck.de:urn:nbn:de:gbv:700-2001071923
Date19 July 2001
CreatorsHöntzsch, Reinhard
ContributorsProf. Dr. Carsten Klingemann, Prof. Dr. Arnold Schmieder, Prof. Dr. Martin Bennhold
Source SetsUniversität Osnabrück
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/zip, application/pdf
Rightshttp://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/

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