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Die Erfindung der Moderne: Das Manifest Refus global und die identitätsstiftende Rezeption von Surrealismus und Automatismus in Québec

Grzonka, Sabine Alice 14 March 2003 (has links) (PDF)
The manifesto of the Quebecer art movement Automatism, the Refus global (Montreal, 1948), is today one of the best known socio-political writings of Quebec. It is considered to have been the beginning of Quebec's cultural modernity and an early sign of its political modernity. In the early 1940's the manifesto's author Paul-Émile Borduas (1905-1960) had already been praised for his art later named "Automatism". It was seen by the automatists as the evolution of Surrealism (like Abstract Expressionism). Many art critics called this the first Canadian painting that followed the modern aesthetics of the time. According to the surrealist program the automatists aspired to create a new Quebec society. In 1948, the fact that their manifesto differed greatly from the conservative political and social ideas of Maurice Duplessis (Prime Minister of Quebec from 1936 to 1939 and from 1944 to 1959) made Borduas and the manifesto famous. It was considered to be an attack against the traditionalistic institutions because it not only required pictorial but also general liberty. Maurice Duplessis' death in 1959 was the beginning of the Quiet Revolution. During this eventful time the Quebecois began officially to identify with the modern state they were creating. The end of the old regime was also the beginning of a new Quebec nationalism which is important for the new reception of Automatism. The intellectuals discovered the Refus global and saw in Borduas their spiritual father in their claim for an original Quebec culture and a greater political autonomy. In the former condemnation of the manifesto they found the proof that the old political system in Quebec prevented modernity. This thesis traces the reception of Surrealism, Automatism and the Refus global in Quebec throughout the period from the 1940's to the turn of the century. It shows how modern (cultural and national) identity has been established, which groups have been interested in its construction and how the commemoration of the manifesto still helps today to support the nationalist project in Quebec. / Das Manifest des Automatismus, der Refus global (Montreal, 1948), zählt heute zu den bedeutendsten soziopolitischen Schriften Québecs und wird als Beginn der kulturellen und als Vorzeichen der politischen Moderne Québecs angesehen. Die Dissertation untersucht die Rezeption des Manifests und der quebecer Kunstströmung, die sich als eine Weiterentwicklung des europäischen Surrealismus sah, sowie den Wandel in der Sinnzuweisung. Der Untersuchungskorpus besteht aus Artikeln, Ausstellungskatalogen, Monografien, Dokumentarfilmen etc., die in den letzten 50 Jahren über den Automatismus bzw. den Refus global in Québec erschienen sind. Für ihre Analyse wurden literarische Rezeptionstheorien und "Gedächtnistheorien" (u.a. von Jauß, Assmann und Nora) herangezogen. Mit ihrer Hilfe wird der Weg nachgezeichnet, wie die Schrift und die Kunstbewegung in das kollektive quebecer Gedächtnis eingingen, um dem Aufbau einer modernen quebecer Identität zu dienen und den politischen Diskurs des Souveränismus in Québec zu stützen. Die Ergebnisse werfen auch ein Licht auf die Gruppen, die an diesem Prozess beteiligt waren und noch immer sind. Bereits zu Beginn der 1940er Jahre hatte der Autor des Manifests, Paul-Émile Borduas (1905-1960), die Aufmerksamkeit der Intellektuellen auf sich gezogen: Zahlreiche Kunstkritiker erkannten in seiner Malerei den Beginn einer originären kanadischen Kunst der Moderne, die nicht mehr die europäischen Vorbilder kopierte, sondern mit der zeitgenössischen Ästhetik (s. Abstrakter Expressionismus) aufschloss. Wie den Surrealisten, so ging es auch den Automatisten um die Schaffung einer neuen Gesellschaft. Ihr im Refus global dargelegtes Programm kontrastierte denn auch aufs Schärfste mit dem konservativen politischen und sozialen Diskurs von Maurice Duplessis (Premierminister von Québec von 1936 bis 1939 und von 1944 bis 1959), der zudem vom Antikommunismus in den USA beeinflusst wurde. Der Tod Duplessis' im Jahr 1959 war zugleich der Beginn der Révolution tranquille. Während dieser ereignisreichen Zeit identifizierten sich zahlreiche Quebecer mit dem modernen Staat, den sie schufen. Durch die Kontrastierung des Traditionalismus Duplessis' mit den Neuerungen der 1960er Jahre entstand der Eindruck, Québec trete erst jetzt in seine politische Moderne ein. Vor dem Hintergrund dieser Geschichtsinterpretation entstand ein neuartiger quebecer Nationalismus, der auf eine größere Autonomie Québecs abzielte und entscheidend für die Wahrnehmung des Automatismus war: Die Intellektuellen entdeckten den Refus global wieder und sahen in seinem Autor den geistigen Vater ihres Rufes nach einer originären quebecer Kultur der Moderne als Grundlage einer größeren politischen Autonomie. In den folgenden Jahren bedienten sie sich des Automatismus zur Schaffung einer neuen quebecer (Kultur-)Geschichte, in die der Ruf nach kollektiver Selbstbestimmung eingeschrieben wurde. So avancierten Borduas und die anderen Automatisten zu Vorvätern des modernen Québec. Diese Wahrnehmung der Bewegung wird begleitet von einer Abwertung der Leistungen anderer moderner quebecer Künstler und Immigranten und dient bis heute der Stärkung des nationalen Ichs

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