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Drahtziehen und die dazugehörigen Werkzeuge im Altertum

Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob das Drahtziehverfahren bereits im Altertum zur Anwendung kam und nicht, wie in der bisherigen Forschung angenommen, erst im Frühmittelalter einsetzte.
Um diese Fragestellung zu klären, wurden Drähte unterschiedlicher Produktgattungen untersucht und experimentalarchäologisch mit der Expertise des Goldschmieds und Restaurators Frank Willer nachgeahmt. Während einige Drähte aus einem Blech gezogen sind, konnte für den Draht des Kettenpanzers aus der Tiefenau bei Bern anhand einer metallographischen Analyse das Ziehen aus einem massiven Rohling nachgewiesen werden. Auch die Untersuchung der für das Drahtziehen benötigten Werkzeuge unterstützt die Annahme, dass das Drahtziehverfahren früher als bisher vermutet bekannt gewesen war. Durch eine materialwissenschaftliche Analyse der Zieheisen und -bronzen konnte nachgewiesen werden, dass diese Werkzeuge den Anforderungen für das Ziehen von Drähten entsprechen.
Ein weiteres Argument für das Drahtziehen im Altertum besteht aus der chronologischen und geographischen Korrelation zwischen dem Einsetzen von Kettenpanzern und dem Aufkommen von Zieheisen innerhalb des Latènekreises. Für die Produktion von Kettenpanzern wurde Draht in großen Mengen benötigt, weswegen die Nutzung des im Vergleich ökonomischeren Drahtziehverfahrens naheliegend ist. Somit lässt sich das Ziehen von Drähten zwar schon vereinzelt für die Bronzezeit nachweisen, doch eine weite Verbreitung dieser Innovation geschieht erst ab der Früh- oder Mittellatènezeit mit der Nutzung von Kettenpanzern. Solch eine verzögerte Diffusion einer Innovation stellt keine Ausnahme innerhalb der Technikgeschichte dar und ist dadurch zu erklären, dass eine Innovation, die nicht fortgeführt wurde, an einem geographisch und zeitlich unterschiedlichem Punkt der Geschichte erneut auftreten kann, da es sich um eine konvergente Entwicklung handelt, bei der dieselben Rahmenbedingungen und Anforderungen vorliegen. / The doctoral thesis examines the question of whether the wire drawing process was already used in antiquity and not, as assumed in previous research, first began in the early Middle Ages.
In order to elucidate this question, the wires of different products were examined and imitated experimentally with the expertise of the goldsmith and conservator Frank Willer. While some wires were drawn from a sheet metal, by metallographic analysis the wire of the mail armour from Tiefenau near Bern was drawn from a solid blank. The investigation of the tools required for wire drawing also supports the assumption that the wire drawing process was known earlier than previously assumed. A materials science analysis of the drawplates showed that these these Bronze and Iron Age tools met the requirements for wire drawing.
Another argument for wire drawing in antiquity is the chronological and geographical correlation between the introduction of mail armour and the frequent use of drawplates within the Latène circle. The production of mail armour required considerable quantities of wire, so the use of the more economical wire drawing process compared to hammering or torsion techniques is obvious. Although the drawing of wire can be proven for the Bronze Age in certain cases, this innovation was not widely spread and established until the Early or Middle Latène Period onwards with the use of mail armour and the accompanying higher demand for wires. Such a delayed diffusion of an innovation is not an exception within the history of technology and can be explained by the fact that an innovation that was not continued can reappear at a geographically and temporally different point in history, since it is a convergent development in which the same underlying conditions and requirements are present.

Identiferoai:union.ndltd.org:HUMBOLT/oai:edoc.hu-berlin.de:18452/26503
Date11 January 2023
CreatorsÖzşen, Ilyas
ContributorsSchmid, Stephan G., Büttner, Jochen, Gering, Axel
PublisherHumboldt-Universität zu Berlin
Source SetsHumboldt University of Berlin
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
TypedoctoralThesis, doc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf
Rights(CC BY-NC 4.0) Attribution-NonCommercial 4.0 International, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/

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