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Die Gründerkrise / Kritik und Regierungskunst des Liberalismus in den Anfängen des deutschen Nationalstaats (1873-1879)Simmerl, Georg 26 August 2024 (has links)
Die sogenannte „Gründerkrise“ ereignete sich in einer Zeit, in der die liberalen Parteien im Deutschen Kaiserreich die Parlamente und das liberale Denken gerade in Wirtschaftsfragen die öffentliche Meinung beherrschten. Mit einer Abfolge von Börsenpaniken im Jahr 1873 und dem bald darauf einsetzenden Wirtschaftsabschwung begann sich dieses liberale Zeitalter dann zu wenden: das Sozialistengesetz wurde verabschiedet, eine protektionistische Koalition gebildet und der moderne Antisemitismus kam auf. Die Geschichte, die in der bundesrepublikanischen Historiographie bislang von dieser Krise erzählt wurde, handelte stets von einem Niedergang des Liberalismus. Darin wird er letztlich auf eine Reihe zeitloser und in bestimmten Parteien beheimateter Ideale, etwa den nicht-interventionistischen Freihandel, den Rechtstaatsgedanken und die Toleranz, reduziert, anhand derer sein Niedergang in der Gründerkrise bemessen und ihre Konsequenzen – als Abkehr von diesen Idealen– zu einer antiliberalen Wende erklärt werden können. Diese Dissertation arbeitet dagegen im Anschluss an Michel Foucault und Reinhart Koselleck ein umfassendes, nicht-idealistisches Verständnis vom Liberalismus aus und macht es zur analytischen Grundlage einer neuen Geschichtsschreibung der Gründerkrise. Ausgehend vom Umgang der (klassischen) Nationalökonomie mit Wirtschaftskrisen, zeigt sie, dass die zeitgenössische Debatte um diese Krise von allen Seiten in einem vom nationalökonomischen Wissen strukturieren, d.h. liberalen Denksystem geführt wurde, das ihre Konsequenzen bereits als Möglichkeiten enthielt – und wie diese Debatte als strategisches Wechselspiel zwischen liberalen Regierungskünsten und Kritikformen zu diesen Konsequenzen führte. Mit Blick auf unsere Gegenwart erzählt diese Diskursgeschichte der Gründerkrise von der Entstehung einer ökonomischen Kultur der deutschen Nation – und zugleich davon, wie Krisendebatten in einem ausgehenden liberalen Zeitalter funktionieren und wozu sie führen können. / The so-called "Gründerkrise" (promoters’ crisis) occurred at a time when liberal parties dominated the parliaments in the German Empire and liberal thought dominated public opinion, particularly in economic matters. However, this liberal era began to turn with a series of stock market panics in 1873 and the economic downturn that soon followed: the Socialist Law was passed, a protectionist coalition was formed and modern anti-Semitism emerged. Up to now, the story German historiography told of this crisis has always been about – in one way or the other – the end of a liberal era and a decline of liberalism. Ultimately, this narrative tends to reduce liberalism to a series of transcendental ideals based in certain parties, such as non-interventionist free trade, the idea of the rule of law and tolerance, which allow measuring liberalism’s decline during the Gründerkrise and labelling its consequences – as a turn away from these ideals – an anti-liberal turn. In contrast, following Michel Foucault and Reinhart Koselleck, this dissertation develops a comprehensive, non-idealistic understanding of liberalism and makes it the analytical basis for a new historiography of the Gründerkrise. Starting from the way (classical) political economy dealt with economic crises, it shows that all sides of the contemporary debate about the Gründerkrise argued within a shared system of thought structured by the knowledge of political economy, i.e. a liberal system of thought that already contained its consequences as possibilities. – and how the public debate as a strategic interplay between liberal arts of government and forms of criticism led to these consequences. Against the backdrop of our own present, this discourse history of the Gründerkrise tells a story about the emergence of the economic culture of the German nation – and at the same time, it shows how crisis debates can function in a fading liberal age and what they can lead to.
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