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Beitrag frontaler und parietaler Hirnregionen zu semantischen und phonologischen Entscheidungen im gesunden Gehirn: Eine Studie mit transkranieller MagnetstimulationWeigel, Anni 05 December 2017 (has links)
Sprache stellt unsere elementare Fähigkeit zur Kommunikation dar. Durch sie wird die Assoziation von Lauten und Symbolen mit Bedeutungen möglich. Um Sprache jedoch praktisch nutzen zu können, müssen im Gedächtnis sensorische Information mit motorischen Systemen verknüpft werden (Price, 2000). In der vorliegenden Untersuchung wurden zwei für das Sprachverständnis wichtige linguistische Komponenten, die phonologische und semantische Verarbeitung, unterschieden (Poldrack et al., 1999). Die Semantik beschäftigt sich mit der Bedeutungsanalyse, die Phonologie dagegen mit der Lautanalyse. Die Geschichte der modernen Sprachforschung begann im 19. Jahrhundert. Bedeutende erste Erkenntnisse stammen dabei von Wernicke (1874) und Broca (1861). Anhand ihrer Untersuchungen klinischer Läsionen konnte dem ‚Broca-Areal’ im linken IFG eine wichtige Funktion in der Sprachproduktion und dem ‚Wernicke-Areal’ im linken posterioren Gyrus temporalis superior eine wichtige Funktion für das Sprachverständnis zugeschrieben werden. Diese Erkenntnisse wurden durch Lichtheim (1885) im ersten klassischen Sprachmodell zusammengefasst.
Anhand neuer Forschungen konnten in den letzten Jahren detailliertere und komplexere Modelle zum Sprachverständnis und zur Sprachproduktion entwickelt werden (z.B. Hickok & Poeppel, 2004), die darauf hinweisen, dass das klassische Broca-Wernicke-Lichtheim Modell zu einfach dargestellt ist (Dronkers et al., 2004; Graves, 1997; Shalom & Poeppel, 2008).
Aktuelle Studien zu neurobiologischen Korrelaten für das Verständnis von Sprache basieren zum Teil auf modernen bildgebenden Verfahren wie fMRT und PET, welche die Möglichkeit bieten, ein spezifisches Verhalten mit kortikaler Aktivität zu assoziieren. Zudem boten neue Techniken das Privileg, nicht mehr nur Studien an Patienten mit klinischen Läsionen durchführen zu können, sondern nun auch physiologische Korrelate an gesunden Probanden zu untersuchen (Bookheimer, 2002; Devlin et al., 2002; Zatorre et al., 1996). Dies brachte die Chance hervor, unabhängig von Reorganisationsprozessen klar abgrenzbare Hirnareale, ihre Funktionen und Interaktionen genauer zu untersuchen und damit das bisherige Verständnis der kortikalen Sprachverarbeitung immens zu erweitern (Price, 2000).
Eine weitere technische Neuerung wurde 1985 mit der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) vorgestellt. Die TMS ist eine einfache, schmerzlose, nichtinvasive Alternative zur elektrischen Stimulation des Gehirns. Über ein zeitlich veränderliches magnetisches Feld in einer Spule wird ein Stromfluss im unterliegenden Gewebe induziert und die kortikale Funktion beeinflusst (Barker et al., 1985). Obwohl diese Technik zunächst vorrangig zur Erforschung motorischer Funktionen genutzt wurde, kann sie heute vor allem auch in Kombination mit der funktionellen Bildgebung und als nicht-invasive Möglichkeit dienen um die Relevanz eines spezifischen Areals für die Durchführung bestimmter (Sprach-)Aufgaben aufzuzeigen (Devlin & Watkins, 2008; Hartwigsen et al., 2010b; Sparing et al., 2001; Tarapore et al., 2013).
In der vorliegenden TMS-Studie wurden vier Sprachareale auf ihre Relevanz für die beiden linguistischen Komponenten Phonologie und Semantik untersucht. Dabei wird nicht nur auf die Funktion der einzelnen Regionen für die Bearbeitung phonologischer und semantischer Aufgaben fokussiert, sondern zudem in Zusammenschau mit der Vorstudie (Hartwigsen et al., 2016) die Existenz zweier relevanter Netzwerke postuliert.
In Analogie zum visuellen System gingen bereits Hickok & Poeppel (2004) von einem fronto-temporo-parietalen dualen Bahnsystem aus, welches sich in einen dorsalen (sensorisch-motorischen) und einen ventralen (sensorisch-konzeptuellen) Strom gliedern lässt. Die phonologische Sprachverarbeitung wird dabei vom dorsalen Strom verkörpert und der ventrale Strom scheint für die semantischen Bezüge verantwortlich zu sein (Saur et al., 2008).
Da vorherige Studien bereits Aktivierungen sowohl im aIFG (Dapretto & Bookheimer, 1999; Gough et al., 2005; Poldrack et al., 1999; Wagner et al., 2000) als auch im ANG (Binder et al., 2009; Mechelli et al., 2007; C J Price, 2000) bei semantischen Aufgabenstellungen aufzeigen konnten und der Beleg für eine Relevanz des pIFG (Martha W Burton et al., 2005; Devlin & Watkins, 2007; Hartwigsen, Price, et al., 2010; Paulesu et al., 1993) und SMG (Hartwigsen et al., 2010a; Sliwinska et al., 2012; Stoeckel et al., 2009; Zatorre et al., 1996) bei phonologischen Analysen gebracht wurde, war das Ziel der vorliegenden Studie, das Vorhandensein zweier Netzwerke aufzuzeigen und die funktionelle Integrität sowie Zusammenarbeit oder Kompensationsmechanismen der Regionen untereinander darzustellen.
Die Grundlage für die Untersuchungen bot die Vorstudie von Hartwigsen et al. (2016). Mit Hilfe einer konditionierenden offline Stimulation in Kombination mit akuter online Interferenz wurden hierbei jeweils ein parietales Areal (SMG oder ANG) und ein frontales Areal (aIFG oder pIFG) gleichzeitig in ihrer Funktion beeinträchtigt. Die Ergebnisse belegten allgemein die Hypothesen anderer Autoren, einer semantischen Verarbeitung in den beiden Arealen ANG und aIFG sowie einer Beteiligung von pIFG und SMG an der Lösung phonologischer Aufgaben. Aus der kombinierten Stimulation eines für eine Aufgabe spezifischen Areals mit einem der jeweiligen anderen Aufgabe zugeordneten Kontrollareal (pIFG und ANG, aIFG und SMG) konnten zudem Vermutungen auch über die funktionelle Relevanz der einzelnen Regionen angestellt werden. Die Ergebnisse führten zu den Hypothesen, dass kortikale parieto-frontale Netzwerke für die Verarbeitung semantischer und phonologischer Aufgaben existieren, die Relevanz der Einzelregionen für die Einordnung in semantische und phonologische Kriterien jedoch unterschiedlich ist. Somit bestätigte sich, dass eine multifokale TMS der beiden Areale aIFG und ANG zu einer signifikant verlängerten mittleren Reaktionszeit für die semantische im Vergleich zur phonologischen Aufgabe führt, eine unifokale TMS eines der beiden Areale in Verbindung mit Stimulation eines phonologischen Kontrollareals jedoch keine Beeinträchtigung hervorruft. Die funktionelle Integrität eines der beiden Areale ist somit vermutlich von der funktionellen Integrität des anderen abhängig und bei einer Läsion eines semantischen Areals im Netzwerk erfolgt eine Kompensation durch das jeweils andere. Diese Kompensation ermöglicht es, eine weiterhin korrekte und nicht verlangsamte semantische Entscheidung vornehmen zu können.
Andererseits ergaben die Untersuchungen der phonologischen Areale, dass sowohl eine multifokale Stimulation als auch die unifokale Stimulation von pIFG und SMG zu signifikant längeren Reaktionszeiten phonologischer Entscheidungen führten. Dies lässt die Hypothese zu, dass die beiden Areale gemeinsam einen entscheidenden aber unterschiedlichen Beitrag für die Phonologie liefern und beide Regionen wichtig für die Durchführung phonologischer Aufgaben sind.
Da in der Vorstudie nicht ausgeschlossen werden konnte, dass auch die aktive Stimulation der gewählten Kontrollareale einen Einfluss auf die Reaktionszeiten und Fehlerraten gehabt haben könnte, wurde in der vorliegenden Untersuchung die jeweilige aktive Stimulation eines Kontrollareals in jeder Sitzung durch eine Placebo-Stimulation ersetzt. Die experimentellen Bedingungen wurden ansonsten möglichst genau an die Vorstudie angepasst. Dies ermöglichte es, jedes Areal einzeln und unabhängig von den Funktionen anderer kortikaler Regionen zu testen. Die 17 hier untersuchten gesunden Probanden mussten in vier Sitzungen mit jeweils einer effektiven Stimulation und einer Placebo-Stimulation insgesamt 60 Wörter nach ihrer Silbenzahl (2 oder 3 Silben) und 60 Wörter anhand ihrer Herkunft (vom Menschen gefertigt/natürlich) einordnen. Alle Probanden erhielten in jeder Sitzung genau über einem der vier Areale eine effektive Stimulation. Die Ergebnisse konnten nun validierte Kenntnisse zur Relevanz der einzelnen Regionen und – gemeinsam mit den Erkenntnissen der Vorstudie - zur gemeinsamen Verarbeitung im phonologischen und semantischen Netzwerk liefern. Insgesamt bestätigten die Resultate der vorliegenden Studie die Hypothesen der Vorstudie. Es wird somit von einem semantischen Netzwerk ausgegangen, in welchem der aIFG und der ANG einen entscheidenden Beitrag leisten. Beide Regionen wirken demnach maßgeblich aber wahrscheinlich auch in ihren spezifischen Aufgaben überschneidend, an der semantischen Verarbeitung mit. Eine Läsion eines der beiden Areale genügt jedoch nicht, um die Prozessierung semantischer Inhalte signifikant zu stören. Dies bestätigt die Hypothese eines Kompensationsmechanismus innerhalb des parieto-frontalen semantischen Netzwerks.
Der ANG scheint einerseits für die Integration in den Kontext und den Abruf gespeicherter semantischer Informationen zuständig zu sein (Binder et al., 2009; Geschwind, 1965), aber auch der aIFG hat Aufgaben in der semantischen Wortanalyse (Price, 2010) und verarbeitet vermutlich die Informationen zu den Verhältnissen von Wörtern zueinander (Bookheimer, 2002).
Das phonologische Netzwerk hingegen scheint anfälliger für eine Störung durch eine virtuelle Läsion zu sein. Hier zeigten sich signifikante Beeinträchtigungen der Reaktionszeiten sowohl nach unifokalen Stimulationen der vorliegenden Studie als auch nach den multifokalen Stimulationen der Vorstudie. Die Reaktionszeiten waren im Vergleich zur semantischen Aufgabe signifikant verlängert. Dies schließt also Kompensationsmöglichkeiten von Läsionen der Regionen untereinander aus. Vielmehr sprechen die Ergebnisse für die Relevanz jedes einzelnen der beiden Areale pIFG und SMG für die korrekte und effektive Bearbeitung phonologischer Entscheidungen. Es wäre zudem möglich, dass sich eine Stimulation eines Areals über die im Vergleich zur Semantik eher kürzeren strukturellen Verbindungen (vgl. Klein et al., 2013) rasch ausbreitet und so in kurzer Zeit auch eine Störung des anderen Areals, also eine „Doppelläsion“ bewirkt.
Vorherige Studien postulierten, dass der SMG eher der Speicherung von Wörtern im Arbeitsgedächtnis dient (Becker et al., 1999; Vigneau et al., 2006), wohingegen dem pIFG eher eine Rolle in der eigentlichen phonologischen Beurteilung und dem ‚Rehearsal’ (inneres Sprechen) zugeordnet wird (Romero et al., 2006). Diese beiden Prozesse stellen zwei gut differenzierte Aufgabenbereiche dar, durch welche nur bei Funktionsfähigkeit beider gemeinsam eine phonologische Entscheidung adäquat vorgenommen werden kann.
Zusammenfassend belegen die Ergebnisse beider Studien, dass das semantische Netzwerk, welches insgesamt über weiter ausgebreitete kortikale Verbindungen verknüpft ist als das phonologische Netzwerk, eine stärkere Widerstandsfähigkeit gegenüber unifokalen Läsionen bietet. Semantische Entscheidungen benötigen daher nur ein intaktes Areal (aIFG oder ANG), wohingegen die Störung eines phonologischen Areals bereits zur Beeinträchtigung der phonologischen Aufgabenbearbeitung führt.
Es obliegt weiteren Studien, die genauen Funktionen der Regionen im Netzwerk zu untersuchen, um spezifischere Erkenntnisse über die Verknüpfung sprachlicher Areale zu erlangen und Symptome klinischer Läsionen zukünftig noch besser verstehen zu können. Dies bietet die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien und könnte es in Zukunft ermöglichen, beispielsweise Aphasien nach Schlaganfällen oder in Folge von Hirntumoren besser verstehen und behandeln zu können.:1 Einleitung
1.1 Was ist Sprache? Zur Geschichte der Sprachforschung
1.2 Entwicklung der TMS in der Sprachforschung
1.3 Was bedeutet Phonologie?
1.4 Was ist Semantik?
1.5 Relevante Hirnregionen für Phonologie und Semantik
1.5.1 Einzelregionen
1.5.2 Netzwerke
1.6 Ziele der Arbeit und Aufgabenstellung
2 Material und Methoden
2.1 Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
2.1.1 repetitive transkranielle Magnestimulation (rTMS)
2.2 Magnetresonanztomographie
2.3 stereotaktische Spulenpositionierung
2.4 Stimuli
2.5 Probanden
2.6 Ablauf
2.7 Hypothesen der Arbeit
2.8 experimentelles Design und statistische Datenauswertung
3 Ergebnisse
3.1 Reaktionszeiten
3.1.1 Phonologie
3.1.2 Semantik
3.2 Fehlerraten
3.3 Auswertung
3.3.1 Phonologie
3.3.2 Semantik
4 Diskussion
4.1 Phonologie
4.1.1 Beitrag des SMG und pIFG zu phonologischen Entscheidungen
4.1.2 TMS-Läsionsausbreitung im phonologischen Netzwerk
4.2 Semantik
4.2.1 gegenseitige Beeinflussung des aIFG und ANG bei der Bearbeitung der semantischen Aufgabe
4.2.2 spezifische Bedeutung des aIFG und ANG für die Semantik
4.2.3 semantisches Netzwerk
4.3 Ausblick
4.3.1 therapeutischer Nutzen
4.3.2 offene Fragen und weitere Forschungsgrundlagen
5 Zusammenfassung
6 Literaturverzeichnis
7 Anlagenverzeichnis
8 Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit
9 Publikation
10 Danksagung
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Organization of the Commissural Projection to the Dentate Gyrus Is Unaltered by Heavy Ethanol Exposure During GestationDewey, Stephen L., West, James R. 01 January 1985 (has links)
The anterograde horseradish peroxidase method was used to determine if prenatal exposure to ethanol affected the development of the characteristic afferent lamination pattern of the commissural projection to the dentate gyrus. Mean ethanol consumption for the ethanol-consuming dams was 12.7 g/kg ± 0.3 g per day. Adult offspring of rats that consumed a liquid diet containing 35% ethanol-derived calories during days 1-21 of gestation, and both pair-fed and normal controls were examined. Brain weights and volumes of the ethanol and pair-fed control rats did not differ significantly from normal controls. However, body weights of ethanol-exposed rats were significantly reduced compared to normal controls. Computer-assisted image analysis of the HRP-labeling revealed that in spite of the heavy ethanol exposure there was no evidence of alterations in the spatial distribution of the commissural terminal field.
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Exposure to Trimethyltin Significantly Enhances Acetylcholinesterase Staining in the Rat Dentate GyrusWoodruff, Michael L., Baisden, Ronald H. 01 January 1990 (has links)
Trimethyltin (TMT) is known to produce substantial damage to the hippocampal formation. It also destroys neurons within the entorhinal cortex, thereby causing degeneration of perforant path afferents that terminate in the outer molecular layer (OML) of the dentate gyrus. Surgical destruction of the entorhinal cortex also causes the perforant path to degenerate. This leads to reactive synpatogenesis (axonal sprouting) of septal afferents to the dentate gyrus. The purpose of the present study was to determine whether administration of 6 mg/kg of TMT by gavage to rats would cause axonal sprouting within the septodentate projection. A histochemical stain for acetycholinesterase (AChE) was used. Compared to control subjects rats given TMT exhibited significantly denser AChE staining in the dentate OML. This is putative indication of reactive synaptogenesis within the cholinergic projection to this layer of the dentate and is somewhat surprising because other neurotoxins, such as lead and ethanol, that affect neurons within the hippocampal formation reduce the capacity for reactive synaptogenesis in response to lesions of the entorhinal cortex.
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Einfluss von ionisierender Strahlung und Resveratrol auf das Überleben neuraler Stammzellen am murinen Hippokampus-GewebekulturmodellPrager, Isabell 02 November 2017 (has links)
ZNS-Tumore stellen im Kindesalter die häufigsten soliden sowie die zweithäufigsten Tumorerkrankungen insgesamt nach den Leukämien dar.
Sie bedürfen in aller Regel einer multimodalen Therapie, bestehend aus möglichst vollständiger Resektion, Chemo- und Strahlentherapie. Besonders bei Kindern unter drei Jahren kann die kraniale Bestrahlung jedoch zu erheblichen kognitiven Einbußen führen, was unter anderem anhand der Messung des Intelligenzquotienten objektiviert werden kann. Bisher existieren jedoch kaum experimentelle Daten, die belegen, inwieweit Bestrahlung zu einer Reduktion neuraler Vorläuferzellen im Gyrus dentatus führt beziehungsweise die sowohl Kurzzeit- also auch Langzeiteffekte der Bestrahlung dosisabhängig untersuchen. Hinsichtlich der Prävention bestrahlungsinduzierter kognitiver Defizite konnten experimentelle Studien zeigen, dass die Veränderung von Bestrahlungsparametern, der Bestrahlungstechnik, die Gabe neuroprotektiver Substanzen sowie die Wiederherstellung des neuralen Stammzellpools zu einer Verbesserung der kognitiven Eigenschaften führen können. Obwohl Resveratrol als neuroprotektive Substanz bei ischämischen Läsionen des Gehirns sowie einigen neurodegenerativen Erkrankungen bekannt ist, wurde sein neuroprotektives Potential bei radiogen verursachten Läsionen des Gehirns bisher noch nicht näher untersucht. Daher bleibt es offen zu klären, ob die neuralen Vorläuferzellen des Hippokampus, die für komplexe Denkleistungen sowie die Regeneration geschädigter Zellen nötig sind, durch die Gabe dieser Substanz vor dem Zelltod durch Bestrahlung gerettet werden können.
In der hier vorliegenden Arbeit war es das Ziel, den Einfluss verschiedener Dosiskonzepte auf das Überleben der neuralen Vorläuferzellen des Gyrus dentatus sowie die Möglichkeit einer Protektion dieser Zellen vor bestrahlungsinduziertem Zelluntergang durch Resveratrol zu untersuchen. Die Experimente wurden mit drei bis sechs Tage alten transgenen Nestin-CFPnuc C57BL/J6 Mäusen durchgeführt, von denen Gewebekulturscheiben, welche die entorhino-hippokampale Formation enthielten, angelegt wurden.
Um mit Gewebekulturscheiben arbeiten und reproduktive sowie valide Ergebnisse erzielen zu können, war es von Bedeutung, dass während des gesamten Präparierprozesses die entorhino-hippokampale Formation in den Gehirnen erhalten bleibt. Die Hämytoxylinfärbung zeigte, dass die Zytoarchitektur einer Hirnscheibe in vitro der eines Ganzhirnpräparates entspricht. Insbesondere der Tractus perforans bleibt intakt (Kluge et al., 1998). Die Messung der Zytokine (IL-6, KC, MCP-1) nach Entnahme der Hirne und Präparation ergab 14 Tage nach Gewebepräparation konstante Messwerte, sodass von einem Abschluss der Wundheilung ausgegangen werden konnte.
Verhalten Nestin-positiver Zellen in Kultur
Der Zeitverlauf Nestin-positiver Zellen in unbestrahlten und unbehandelten Kontrollen über 49 Tage zeigte eine mehrphasische Entwicklung, die in dieser Form bisher noch nie beschrieben worden ist. Bis etwa zur Hälfte der Zeit gab es einen deutlichen Abfall Nestin-positiver Zellen. Dieser schien sich jedoch innerhalb der nächsten zehn Tage zu erholen und ab dem 35. Tag in vitro einen konstanten Verlauf zu zeigen. Diese Beobachtungen beweisen, dass die Gewebekulturscheiben in vitro ähnlich einer Maus in vivo altern (Fukuda et al., 2005).
Effekte der Bestrahlung
Die Bestrahlung führte über den Zeitraum von sechs Wochen zu einer signifikanten, irreversiblen und dosisabhängigen Reduktion Nestin-positiver Zellen innerhalb aller Bestrahlungsdosen (4,5 Gy, 8 Gy, 12 Gy und 16 Gy). Eine Erklärung für die Abnahme Nestin-positiver Zellen ist der bestrahlungsinduzierte Zelltod, welcher, gemessen an Propidiumiodid-positiven Zellen, einen dosisabhängigen Anstieg zeigte.
Aufgrund der geringen absoluten Anzahl Propidiumiodid-positiver Zellen 96 Stunden nach Bestrahlung ist es denkbar, dass der Zelltod womöglich auch zu einem späteren Zeitpunkt einsetzt, wenn sich die durch die Bestrahlung entstandenen Aberrationen und nicht mehr reparablen Schäden über mehrere Zellzyklen manifestiert haben und dann zum Tod der Zelle führen. Entsprechend unseren Ergebnissen führt Bestrahlung ebenso zu einem Einbruch der Neurogenese (NeuN/BrdU) sowie der Proliferation (BrdU/ Ki-67). Diese Beobachtungen machten auch andere Arbeitsgruppen, die ebenfalls negative Langzeiteffekte auf die Neurogenese (Mizumatsu et al., 2003) sowie die Proliferation (Rola et al., 2004) beschrieben.
Die Ausdifferenzierung der Stammzellen zu GFAP-positiven Zellen kann durch die Induktion von NF- κB (Ozeki et al., 2012), STAT-3 (Bonni et al., 1997) oder die Aktivierung der Mikroglia im Sinne einer reaktiven Gliosis (Hwang et al., 2006) hervorgerufen werden. Entgegen der Annahme, dass es auch zu einem bestrahlungsinduzierten Abfall ausgereifter Neurone kommen müsste, führte Bestrahlung bis 12 Gy nach 42 Tagen eher zu einer Zunahme. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es unmittelbar nach Bestrahlung zu einem Abfall gekommen ist, der sich aber nach 42 Tagen vollständig erholt hat. Dies könnte auch den Abfall bei einer Dosis von 16 Gy erklären, da in diesem Dosisbereich eben keine Regeneration mehr erwartet werden kann.
Effekt von Resveratrol
Da es bereits bei einer Einzeldosis von 4,5 Gy zu einem irreversiblen Abfall neuronaler Stammzellen sowie einem Einbruch der Proliferation und Neurogenese kam, sollten neben technischen Maßnahmen zur Neuroprotektion auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen werden. Eine Einzeldosis von 4,5 Gy entspricht in etwa einer Dosis von 10 Gy, die im Rahmen des „hippocampal sparing“ während der fraktionierten Behandlung typischerweise im Bereich des Hippokampus erreicht wird (Gondi et al., 2010b).
Die Gabe von Resveratrol führte in unbestrahlten Gewebekulturscheiben zu einer Abnahme Nestin-positiver Zellen im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen. In Kombination mit Bestrahlung zeigte sich jedoch, dass die Anzahl Nestin-positiver Zellen durch die Gabe von Resveratrol zum Teil signifikant erhöht werden konnte. Das neuroprotektive Potential von
Resveratrol konnte bereits bei 4 Gy bestrahlten hippokampalen Neuronen demonstriert werden (Li et al., 2014). Bei einer Bestrahlungsdosis von 8 Gy, nicht jedoch bei 16 Gy beobachteten wir über den gesamten Zeitraum einen neuroprotektiven Effekt. Es ist anzunehmen, dass die durch 16 Gy hinterlassenen Schäden derart stark ausgeprägt sind, dass Resveratrol, welches nur 48 Stunden verabreicht wurde, nicht in der Lage war, die Stammzellen zu schützen. In der Praxis könnte man Resveratrol über längere Zeit im Rahmen fraktionierter Behandlungen verabreichen, was auch eine Reduktion der Resveratroldosis ermöglichen könnte. In den unbestrahlten Kontrollen führte die Gabe von Resveratrol möglicherweise durch die Aktivierung von Sirt-1 sowie von AMPK zu einer Inhibition der Entwicklung von Stammzellen (Ma et al., 2014; Park et al., 2012).
In weiteren Studien sollte geprüft werden, inwieweit Resveratrol auch in vivo Potential besitzt, die neurokognitiven Fähigkeiten durch einen Schutz der Stammzellen vor Bestrahlung zu verbessern.:Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis II
1. Einführung
1.1 Hintergrund
1.2 Primäre ZNS-Tumore im Kindesalter
1.2.1 Entstehung und Ätiologie
1.2.2 Symptome und Diagnostik
1.2.3 Therapiemodalitäten
1.3 Der Hippokampus
1.3.1 Anatomie der hippokampalen Formation
1.3.2 Funktion des Hippokampus
1.3.3 Neurogenese im Hippokampus
1.4 Beschreibung des Mausmodels sowie der Zellkultur
1.5 Biologische Wirkung ionisierender Strahlung auf Gewebe
1.6 Neuroprotektion vor ionisierender Strahlung
1.7 Zielsetzung der Arbeit
2. Publikation
3. Zusammenfassung
4. Literaturverzeichnis
5. Darstellung des eigenen Beitrags
6. Anhang 36
6.1 Selbstständigkeitserklärung 36
6.2 Lebenslauf 37
6.3 Publikationen 39
6.4 Danksagung 40
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Activity-dependent bidirectional regulation of terminal neuronal maturation in the adult hippocampus / 神経活動依存的な海馬成熟状態の両方向制御Imoto, Yuki 23 March 2015 (has links)
京都大学 / 0048 / 新制・課程博士 / 博士(薬科学) / 甲第18919号 / 薬科博第33号 / 新制||薬||4(附属図書館) / 31870 / 京都大学大学院薬学研究科薬科学専攻 / (主査)教授 中山 和久, 教授 金子 周司, 教授 竹島 浩 / 学位規則第4条第1項該当 / Doctor of Pharmaceutical Sciences / Kyoto University / DFAM
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Mnemonic Representations of Transient Stimuli and Temporal Sequences in the Rodent Dentate Gyrus In VitroHyde, Robert A. 08 March 2013 (has links)
No description available.
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Developmental and Post-natal Roles for ERK1/2 Signaling in the HippocampusVithayathil, Joseph 04 September 2015 (has links)
No description available.
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Targeting Newly Generated Dentate Granule Cells as a Treatment for EpilepsyHosford, Bethany E. 12 December 2017 (has links)
No description available.
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Threshold for Hippocampal Dentate Granule Cell Mediated EpileptogenesisRolle, Isaiah J. January 2015 (has links)
No description available.
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Effects of Acute Ethanol on Memory Encoding, Retrieval, and the Theta RhythmEdwards, Kristin S. 31 March 2011 (has links)
No description available.
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