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"Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch"Gille, Caroline 14 August 2015 (has links)
Engel definieren sich vor allem durch ihre Undefinierbarkeit, ihre Zwischenwesenhaftigkeit. Das Spannungsfeld unvereinbarer Bereiche ermöglicht den Engeln die Existenz. Um ihre Aufgaben – besonders die des Mittlers bzw. Boten – zu erfüllen, können sie fliegen. Jeder Engel, schreibt Rilke, sei schrecklich. Als besonders schrecklich mögen diejenigen Engel sein, die gefallen sind. Ausgewählte Fall-Studien zu ihnen stehen im Zentrum dieser Arbeit. Engel büßen bei ihrem Fall die Fähigkeit zu fliegen und ihre privilegierte Position ein. Auf sich gestellt, zeigen gefallene Engel zwei Reaktionsmuster: Macht und Melancholie. Mächtigen gefallenen Engel gelingt es – oder: sie beabsichtigen es –, die Beziehungsrelation zur göttlichen Autorität nach ihrem Fall aufrechtzuerhalten bzw. neu zu definieren: Durch Errichtung neuer Reiche, rebellischer und sinnlicher, führen sie die Versuchung fort. Aber sie sind keine Mittler mehr, weil sie keine Mitteilungen mehr empfangen, sondern Botschafter eigener Botschaften. Melancholische gefallene Engel lassen dagegen die nutzlos gewordenen Flügel hängen. Auch sie haben vor ihrem Fall in einem Beziehungsverhältnis existiert. Fällt das Gegenüber weg, sinkt ihre Erscheinung in sich zusammen, erlischt ihre Botenfunktion, senden und empfangen sie nicht bzw. nichts Neues mehr. Macht und Melancholie sind in aber auch Aktionsfelder. Der Künstler reflektiert in der objektiv – für sein künstlerisches Schaffen – wie subjektiv – für sein künstlerisches Selbstverständnis – genutzten Identifikationsfigur des gefallenen Engels beide Positionen. So greifen Macht und Melancholie, Rebellion und Resignation, Schöpfen und Scheitern ineinander. Gefallene Engel sind eigentlich ihres Botenstatus’ beraubt. Doch haben sie eine einzige letzte Botschaft – sie sind selbst die Botschaft vom Ursprung ihres Falls und haben darin ihr Ziel. / Angels are defined above all by their indefinability, their mutable essence. The conflict zone between irreconcilable areas makes the existence of angels possible. To fulfill their function – in particular that of medium or messenger – they can fly. Every angel, Rilke wrote, is terrifying. Most terrifying among the angels are, perhaps, those that have fallen. Selected case studies of those form the core of this dissertation. When angels are cast out of heaven, they forfeit their capacity for flight and their privileged position. Left to their own defenses, fallen angels display one of two reaction modes – might or melancholy. Mighty fallen angels are able – or they aim – to maintain their relationship with divine authority, or to redefine it, after the fall. By erecting new realms, more rebellious and sensual, they carry on with temptation. But they are no longer media, because they no longer receive communications. Rather they are the messengers of their own message. Melancholy fallen angels, on the other hand, let their now-useless wings droop. They too existed in a relationship before the fall. When their vis-à-vis disappears, their apparition caves in; their messenger function extinguished, they send and receive nothing or at least nothing new. Yet might and melancholy are not only reaction modes, but also fields of action. The artist, in using the identification figure of the fallen angel both objectively – for his or her artistic creation – and subjectively – for his or her sense of artistic self, reflects both positions. So might and melancholy, rebellion and resignation, creation and collapse mesh. Fallen angels are in fact robbed of their messenger status because, unable to fly, they are no longer a medium. But they do have just one last message – they are themselves the message of the origins of their fall, and that is their goal.
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