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Prekärer Alltag in Leipzig: Eine Mehrebenenanalyse der Wechselwirkungen zwischen entsicherten Erwerbsarbeits- und Wohnpraktiken

Gerbsch, Elisa 28 October 2024 (has links)
Die Dissertation untersucht die bislang wenig beachtete wechselseitige Beziehung von Erwerbsarbeit und Wohnen unter den Bedingungen von Prekarisierungen. Forschungsleitend ist dabei die Frage, wie sich Entsicherungsprozesse aus dem Bereich der Erwerbsarbeit in das Wohnen fortsetzen und welchen Einfluss die auf diese Weise prekarisierten Wohnverhältnisse wiederum auf die Erwerbsarbeitsverhältnisse der Betroffenen ausüben. Die Dissertation arbeitet mit einem von der kritischen Theorie herkommenden und aus feministisch-materialistischer Perspektive entwickelten praxeologischen Zugang. Erwerbsarbeit und Wohnen werden demnach als sozialräumliche Praxen verstanden, die sich auf unterschiedlichen Ebenen manifestieren: auf der Ebene der subjektiven Konstruktionen, der symbolischen Repräsentationen und der Strukturen. Basierend auf diesem Verständnis wertet die Dissertation die empirischen Daten mit Hilfe einer praxeologischen Mehrebenenuntersuchung aus. Herzstück der Analyse sind offene Leitfadeninterviews mit narrativen Elementen, die in den Jahren 2020 und 2021 mit fünf Haushalten an ihrem Wohnort durchgeführt wurden. Zur Kontextualisierung der Ergebnisse wurden zudem verschiedene Dokumente wie etwa Statistiken, Fachliteratur oder Artikel in Lokalzeitungen herangezogen. Die Daten wurden mit Methoden der qualitativen Sozialforschung und im Stil der grounded theory erhoben, ausgewertet und reflektiert. Im Ergebnisteil bereitet die Dissertation zunächst prekäre Alltagspraktiken von fünf Leipziger Haushalten systematisch in Fallanalysen auf. Diese zeugen davon, dass Prekarisierungen der Erwerbsarbeit weit über ein niedriges Einkommen hinausragen. Auch die Bandbreite unsicherer Wohnpraktiken wird deutlich. Von den detaillierten Fallanalysen ausgehend werden die zentralen Wechselbeziehungen zwischen entsicherten Wohn- und Erwerbsarbeitspraktiken untersucht. Die Dissertation gruppiert die Wechselwirkungen in drei Cluster: einkommensbedingte Vulnerabilität des Wohnens, Prekarität im Kontext von in der eigenen Wohnung ausgeführten Erwerbsarbeiten (working from home) sowie prekäre Erwerbsarbeits- und Wohnpraktiken, die in Verbindung mit der Nachbarschaft stehen. Im Ergebnis zeigt sich auch, dass die zentralen Wechselwirkungen verknüpft sein können, sodass clusterüberschreitende Entsicherungsketten entstehen: Prekäre Erwerbsarbeitspraktiken setzen sich in Form von einkommensbedingten Vulnerabilisierungen in Praktiken des Wohnens fort. Eine Rück- beziehungsweise Wechselwirkung auf die Erwerbsarbeitspraxis vollzieht sich durch working from home, wenn die Arbeitsbedingungen durch ein vulnerabilisiertes Wohnverhältnis entsichert sind. Eine weitere Interdependenz besteht dann, wenn entsicherte Erwerbsarbeits- und Wohnpraktiken die räumlichen, zeitlichen, finanziellen und sozialen Grenzen produktiver und reproduktiver Sphären auflösen. Die herausgearbeiteten Nachbarschaftspraktiken können die in den Fallbeispielen untersuchten Prekarisierungen nur bedingt abwehren. Die Dissertation schlussfolgert aus den Ergebnissen, dass die Wechselwirkungen zu einer Verfestigung prekärer Lebenslagen und in zwei der untersuchten Fälle auch zu einer Zuspitzung zu Armutslagen führen. Die sozialräumlichen Prekarisierungen sind neben Fortsetzungen aus dem Bereich der Erwerbsarbeit in das Wohnen und vice versa auch deutlich von Normalisierungs- und Subjektivierungsprozessen gekennzeichnet. Diese gilt es in einem Zusammenhang mit dem Forschungsrahmen ostdeutscher Entwicklungen und der Corona-Pandemie zu diskutieren. Die Dissertation hat einen explorativen Charakter und ist zugleich ein Zeitzeugnis, da sie unter den Sonderbedingungen der Corona-Pandemie entstanden ist. Mit der praxeologischen Mehrebenenanalyse der Wechselbeziehung zwischen Erwerbsarbeits- und Wohnverhältnissen im Alltag von Leipziger Haushalten leistet sie theoretische, methodische und empirische Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsarbeiten. Indem sie die bisher für sich stehenden Themen Arbeit und Wohnen sowie die Disziplinen Humangeographie und Soziologie verbindet, nimmt die Dissertation eine doppelte Brückenkopffunktion ein. / The doctoral thesis examines the interdependent relationship between labour and housing under the conditions of precarisation, which has received little attention to date. The research is guided by the question of how processes of casualisation extend from the sphere of labour to that of housing and what effect these precarious housing conditions in turn have on the working conditions of those affected. The thesis uses a praxeological approach based on critical theory and derived from a feminist-materialist perspective. Accordingly, labour and housing are understood as socio-spatial practices that occur on different levels: on the level of subjective constructions, symbolic representations and structures. Based on this understanding, the doctoral thesis analyses the empirical data with the help of a praxeological multi-level analysis. At the heart of the research programme are semi-structured interviews with narrative elements which were conducted with the members of five households at their homes in 2020 and 2021. Various documents such as statistics, academic literature and articles in local newspapers were also utilised to contextualise the results. The data was collected, analysed and reflected on using methods of qualitative social research and inspired by grounded theory. In the results sections, the thesis first systematically analyses the precarious everyday-practices of five Leipzig households in case studies. These reveal that precarious labour conditions extend far beyond a low wage. The wide range of insecure housing practices also becomes apparent. Based on the detailed case analyses, the central interrelations between insecure housing and labour practices are examined. The doctoral thesis groups the interdependencies into three clusters: income-related housing vulnerability, insecurity in the context of working from home, and precarious employment and housing practices that are linked to the neighbourhood. The results also show that the central interdependencies can be interlinked, leading to the emergence of precarisation chains that transcend clusters: Insecure labour practices persist in the form of income-related vulnerability in housing practices. Working from home has a two-way interaction on labour practices if the working conditions are exacerbated by a vulnerable housing situation. There is a further interdependency when precarious labour and housing practices dissolve the spatial, temporal, financial and social boundaries of productive and reproductive spheres. The neighbourhood practices identified can only partially ward off the precarisation examined in the case studies. Based on these results the thesis concludes that the interdependencies lead to a consolidation of precarious living conditions and, in two of the analysed cases, to an escalation into poverty. In addition to the extension of the sphere of labour into that of housing and vice versa, these socio-spatial precarisations are characterised by normalisation and subjectivation processes. These need to be discussed in the light of the research framework of East German developments and the Covid pandemic. The doctoral thesis has an explorative character and is at the same time a historical testimony, as it was written under the special conditions of the Covid pandemic. With the praxeological multi-level analysis of the interrelationship between employment and housing conditions in the everyday-lives of Leipzig households, it provides theoretical, methodological and empirical reference points for future research. By combining the previously separate topics of labour and housing and the disciplines of human geography and sociology, the thesis takes on a dual bridging function.
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Plattformarbeit als Brennglas für die Zukunft der Arbeit? / Eine empirische Mehrebenenuntersuchung der Auswirkungen des neuen Arbeitsmodells vor dem Hintergrund von längerfristigen Arbeitsmarktentwicklungen und individuellen Nutzungsformen

Gerber, Christine 01 November 2023 (has links)
Die vorliegende Arbeit untersucht die Bedeutung und Auswirkungen von Plattformarbeit in Westeuropa und Nordamerika. Dafür werden die Zusammenhänge zwischen drei Ebenen untersucht: Erstens die Gestaltung des Arbeitsmodells als Mesoebene, zweitens bestehende Arbeitsmarktentwicklungen und nationale Regulierungskontexte als Makroebene, sowie drittens das Leben und Erleben des Arbeitsmodells von Plattformarbeiter*innen als Mikroebene. Die empirische Untersuchung konzentriert sich auf Crowdwork als ortsunabhängige Form von Plattformarbeit. Zudem wird eine Triangulation von qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden sowie eine komparative Perspektive zwischen unterschiedlichen Aufgabenkomplexitäten (Mikro- und Makroaufgaben) und institutionellen Kontexten (Deutschland und USA) genutzt. Die Mehrebenenuntersuchung zeigt, dass Plattformarbeit auf der Mesoebene eine arbeitsorganisatorische Innovation darstellt, die auf der Makro- und Mikroebene an bestehende Entwicklungen anknüpft. Auf der Mesoebene zeigen sich vielfältigere und komplexere Ansätze der Arbeitsorganisation und Arbeitskontrolle als häufig angenommen. Auf der Makroebene knüpft Plattformarbeit an bestehende Prozesse der Auslagerung, Flexibilisierung und Prekarisierung von Arbeit, wobei der nationale Regulierungskontext weiterhin prägend ist. Auf der Mikroebene zeigt sich, dass die Heterogenität der Plattformarbeiter*innen und das hohe Maß an Eigenverantwortung ihre Individualisierung befördert. Die vorliegende Arbeit schlussfolgert, dass eine Plattformisierung der Arbeitswelt keineswegs gegeben ist. Die Bedeutung von Plattformarbeit wird insbesondere darin verortet, dass es die weitere Ausbreitung und Ausdifferenzierung von prekären Erwerbsformen auf der Makroebene und die Individualisierung von prekär Erwerbstätigen auf der Mikroebene befördert. Die vorliegende Arbeit verortet in dieser Vielfalt an Prekarität und Individualisierung der Prekären eine Form von Herrschaft. / This study examines the importance and consequences of platform work in Western Europe and North America. To this end, the connections between three levels are examined: First, the design of the work model as the meso level, second, existing labour market developments and national regulatory contexts as the macro level, and third, the forms of use and perceptions of platform workers as the micro level. The empirical investigation focuses on crowdwork as a location-independent form of platform work. Furthermore, the study uses a triangulation of qualitative and quantitative research methods as well as a comparative perspective between different task complexities (micro and macro tasks) and institutional contexts (Germany and USA). The multi-level investigation shows that platform work represents an innovation at the meso level that reflects and reinforces existing developments at the macro and micro levels. At the meso level, more diverse and complex approaches to work organization and control emerge than is often assumed. At the macro level, platform work reflects and reinforces processes of outsourcing, flexibilization and precarisation of work, though the national regulatory context remains a central factor. At the micro level, the heterogeneity of platform worker and the high degree of personal responsibility promotes their individualization. The study concludes that a platformisation of work is far from certain. The study attributes the importance of platform work to the fact that it promotes the further spread and differentiation of precarious employment at the macro level and the individualization of precarious workers at the micro level. The study identifies this variety of precarity and individualization of the precarious as a form of domination.

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