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Wissenschaftskarrieren in der Leibniz-Gemeinschaft und das Einflusspotenzial von egalitärem Elternzeit-Modell, familienorientiertem Arbeitsplatz und flexiblen Frauenquoten als Gleichstellungsmaßnahmen

Backhaus-Nousch, Katja 19 July 2016 (has links) (PDF)
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis verbessert die Leistungsfähigkeit von Teams, das ökonomische Wachstum von Unternehmen und deren Innovationsfähigkeit (vgl. Europäische Kommission 2011a, S. 4f; vgl. auch Corkery & Taylor 2012, S. 9). Obwohl in vielen Organisationen und Unternehmen diese Fakten mittlerweile bekannt sind, ist das Potenzial eines ausgewogenen Frauen- und Männeranteils in mittleren und hohen Karrierestufen nach wie vor unzureichend erschlossen. So zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2014, dass in akademischen und wissenschaftlichen Karrierewegen der Anteil an Frauen in Positionen mit steigendem Qualifikationsniveau und Status kontinuierlich abnimmt, und dies trotz der heute stark angeglichenen Ausbildungsqualifizierung von Frauen und Männern. In den höchsten Ebenen im Wissenschaftsbereich sind nur noch wenige Frauen vertreten (vgl. Statistisches Bundesamt 2014b, S. 3). Differenzen im Karriereverlauf von Frauen und Männern finden sich also bis heute in der Wissenschaft. Doch was sind die Gründe für diesen Scherenverlauf der Karrierewege von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland? Die Gründe liegen in einem Zusammenspiel kleinerer Vor- und Nachteile im gesamten Umfeld der Geschlechter, wie Ulmi und Maurer (2005, S. 35) resümieren. Denn grundsätzlich belegen Studienergebnisse, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter identischen Rahmenbedingungen gleich produktiv sind (vgl. Andresen, Oppen & Simon 1999, S. 24). Ein einzelner Faktor oder Zeitpunkt kann somit für die im Verlauf auseinanderklaffenden Karrieren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht herangezogen werden. Bisher finden sich in der einschlägigen Literatur nur wenige Studien, die bei der Analyse von Wissenschaftskarrieren das Zusammenwirken von institutionellen Rahmenbedingungen sowie die Subjektseite berücksichtigen, wenngleich dieser Kombination beider Perspektiven eine bedeutende Rolle zukommt (vgl. Andresen et al. 1999, S. 40; vgl. auch Döge & Behnke 2004). Zudem fokussieren vorhandene Untersuchungen weitestgehend auf den Karriereverlauf nach einer kindbedingten Erwerbungsunterbrechung (u. a. Bauer, T. 2000; Krimmer, Stallmann, Behr & Zimmer 2003; Brandt 2012). Die vorliegende Studie analysiert unter Berücksichtigung beider Perspektiven die karrierebeeinflussenden – meritokratischen, individuellen und strukturellen – Einflussfaktoren von Wissenschaftskarrieren am Beispiel der Leibniz-Gemeinschaft als erste nicht-universitäre Wissenschaftsorganisation in Deutschland, die im Jahr 2012 flexible Zielquoten für Frauen einführte (vgl. Leibniz-Gemeinschaft 2013a, S. 1). Gleichzeitig werden Geschlechterunterschiede in Bezug auf die Faktorengruppen bzw. im wissenschaftlichen Karriereverlauf herausgearbeitet. Mit Blick auf die bestehende Unterrepräsentation von Frauen in höheren wissenschaftlichen Führungsebenen sollen des Weiteren die Gründe für den geringen Frauenanteil in höheren Positionen im Wissenschaftsbereich und zudem die Nutzungs- und Akzeptanzmuster von egalitärem Elternzeit-Modell, familienorientiertem Arbeitsplatz und flexiblen Frauenquoten auf der Mikro-, Meso- und Makroebene als Maßnahmen für mehr Geschlechtergleichstellung im Wissenschaftsbereich analysiert werden. Zur Erforschung des Studienthemas werden quantitative und qualitative Erhebungsverfahren kombiniert. Denn erst durch das Zusammenspiel qualitativer und quantitativer Methoden erhält man ein verlässliches Gesamtbild des zu untersuchenden sozialen Gegenstandes (vgl. Diekmann 2009, S. 543). Während die Daten der Online-Befragung unter allen Beschäftigten der Leibniz-Gemeinschaft (Vollerhebung) die Basis für allgemeine Aussagen in Bezug auf Wissenschaftskarrieren in der Leibniz-Gemeinschaft liefern und gleichzeitig mit ihnen die aufgestellten Hypothesen überprüft werden, vertiefen die vier durchgeführten leitfadengestützten Interviews mit Leibniz-Wissenschaftlerinnen und ihren Partnern die quantitativen Daten und unterfüttern sie exemplarisch mit individuellen Aussagen zum Forschungsthema. Bei den meritokratischen Faktoren bestätigen die gewonnenen Daten statistisch signifikant die Annahme, dass eine hohe Publikationsproduktivität der stärkste Karrieremotor für eine Wissenschaftskarriere ist. Dies gilt einerseits für das Erreichen einer höheren Position sowie auch für den erfolgreichen Durchlauf der Qualifizierungsphasen von der Promotion bis hin zur Habilitation und Professur. Aber auch die Bedeutsamkeit von Auslandsaufenthalten und Mitgliedschaften in Fachgesellschaften als karrierefördernde Faktoren konnte bestätigt werden, wenngleich deren Einflussstärke hinter der von Publikationen zurückbleibt. Des Weiteren zeigt die Datenlage, dass die befragten Wissenschaftlerinnen nicht immer die gleichen Karrierechancen im Wissenschaftsbereich wie ihre männlichen Kollegen – trotz gleicher Leistungen und Erfahrungen – haben. So bleibt unter Kontrolle des Alters trotz gleicher Publikationsanzahl und Anzahl an Mitgliedschaften bei der erreichten Position ein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern zugunsten der Männer bestehen. Bei den strukturellen Faktoren haben sich die geschlechtsspezifische Fächerwahl (Fächergruppe), die Anzahl familienfreundlicher Unterstützungsmaßnahmen am Arbeitsplatz und die Akzeptanz von Frauenquoten in dieser Studie als Erklärungsvariable für den Scherenverlauf der Wissenschaftskarrieren der Geschlechter nicht bestätigt. Bei den individuellen Faktoren wird die Arbeitgeberorientierung (vgl. Vogt 2010) von Frauen und Männern ausgeschlossen. Ein individueller Faktor, der jedoch messbar einen Erklärungsanteil in dieser Studie einnimmt, ist der Faktor Kind bzw. das Vorhandensein von Kindern. Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen, dass in Bezug auf die Wissenschaftskarriere kinderlose Befragte erfolgreicher als Befragte mit Kind(ern) sind. Zudem gibt es Geschlechterunterschiede: Väter sind gegenüber Müttern hinsichtlich ihrer erreichten Position erfolgreicher. Folglich kann es nicht die Elternschaft per se sein, die eine Wissenschaftskarriere beeinflusst. Studien konnten einen direkt messbaren Einkommensnachteil für Frauen bzw. Karriereknick durch die (längere) Inanspruchnahme einer Elternzeit nachweisen (vgl. Ruhm 1998; vgl. auch Boll 2009; Busch 2013a; Brandt 2012), sodass die Ergebnisse zur Elternzeit als Einflussfaktor auf Wissenschaftskarrieren betrachtet werden müssen. In diesem Zusammenhang werden ebenso die Resultate zum egalitären Elternzeit-Modell als potenzielle Gleichstellungsmaßnahme bedeutsam. Insgesamt geht mit der Familiengründung ein gemeinsamer, aber langer Entscheidungsprozess für das Elternzeit-Modell (Verteilung der Elternzeitmonate zwischen den Partnern) in der Zweierbeziehung einher. Die Stärke der egalitären Einstellung, das Bildungsniveau oder der Karriereerfolg einer Person haben keinen Einfluss auf die Elternzeitdauer. Auch das Einkommen bestätigt sich durch die Daten nicht – im Kontrast zu vorhergehenden Studien (u. a. Hyde, Essex & Horton 1993; O’Brien 2009), die das Einkommen als Haupteinflussfaktor für die Inanspruchnahme der Elternzeit durch Väter belegen. In der vorliegenden Arbeit war den interviewten Männern eher die Unterstützung vom Vorgesetzten bzw. des Kollegenkreises zur Inanspruchnahme einer (längeren) Elternzeit wichtig. Die Unternehmenskultur ist somit eine Voraussetzung für die Wahl des Elternzeit-Modells. Besonders interessant bei den Ergebnissen der Online-Befragung zur Elternzeitdauer ist die über dem deutschen Durchschnitt (6 Monate in der Studie versus 3 Monate deutschlandweit; vgl. Fegert et al. 2011, S. 5) liegende Elternzeitdauer der Männer. Es verdeutlicht, dass auf der Mikroebene bei Vätern in der Leibniz-Gemeinschaft bereits modernere Geschlechterrollenorientierungen vorliegen. Auf der anderen Seite wurde durch die Datenlage bestätigt, dass eine längere Elternzeitdauer negativ mit der Karrierephase der befragten Männer korreliert (ein nachteiliger Karriereeffekt wurde auch in den Interviews mit den Vätern durch ihre persönlichen Erfahrungen bestätigt), während sie einen positiven Einfluss auf die Karrierephase bei Frauen hat. Als Erklärung kommt der Zeitpunkt der Familiengründung und folglich der Elternzeit infrage. Eine längere Elternzeit bei einer bereits fortgeschrittenen Karriere bei Frauen würde einen positiven Zusammenhang aufzeigen, während bei Männern der umgekehrte Fall vorliegen könnte. Es bleibt zu prüfen, ob weitere Untersuchungen die genannten Ergebnisse stützen können und ob sich ein egalitäres Elternzeit-Modell im Alltag durchsetzen kann, wenn Männer Karrierenachteile erfahren oder fürchten. Die tägliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für beide Geschlechter nicht einfach, sodass die befragten Frauen und Männer einige familienbedingte Spannungen am Arbeitsplatz verspüren. Ein familienorientierter Arbeitsplatz kann hier als Gleichstellungsmaßnahme auf der Mesoebene dazu beitragen beide Lebensbereiche zu vereinbaren: Die Daten belegen, dass Unterstützungsmaßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf signifikant die Anzahl an familienbedingten Spannungen am Arbeitsplatz reduzieren. Die Anzahl an Maßnahmen zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist dabei zwischen den Leibniz-Einrichtungen unterschiedlich, wobei Einrichtungen mit eher vielen Beschäftigten auch (eher) viele Unterstützungsmaßnahmen aufweisen. Der Großteil der Beschäftigten bei der Leibniz-Gemeinschaft ist über die in 2012 eingeführten flexiblen Frauenquoten uninformiert, welche als dritte Gleichstellungsmaßnahme in der Studie untersucht wurden. Weiterhin lehnen Männer die Einführung von Frauenquoten signifikant stärker ab als Frauen. Auf der anderen Seite wünschen sich stärker egalitär eingestellte Personen eher die Einführung von Frauenquoten als Maßnahme für mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern im Wissenschaftsbereich als weniger egalitär eingestellte Personen. Werden Frauenquoten eingeführt, so wünschen sich die Befragten, dass diese ambitioniert, aber realistisch zu erreichen sind und mit einem entsprechenden Monitoring begleitet werden. Insgesamt besteht eine generelle Skepsis gegenüber Frauenquoten, wie in den Interviews und bei der Online-Befragung ersichtlich wird. Zur Erhöhung des Frauenanteils in wissenschaftlichen Führungspositionen wird durch die Daten belegt, dass eine Quotierung nur hilfreich ist, wenn „zugleich Führung und Verantwortung in Job und Familie miteinander vereinbar werden“ (vgl. Boll 2012, S. 650). Mit Blick auf die vorgestellten Studienergebnisse wird deutlich, dass Geschlechtergleichstellung in der Wissenschaft noch nicht erreicht ist. Damit Frauen in der Wissenschaft die gleichen Chancen wie Männer haben, müssen verschiedene Stellschrauben bewegt werden: Auf der Makroebene haben Frauenquoten das Potenzial die weibliche Repräsentanz zu erhöhen, um über paritätisch besetzte Auswahlgremien geschlechtergerechtere Auswahl- und Einstellungsverfahren anzustoßen, denn aufgrund einer weiblichen Unterrepräsentanz in diesen Gremien kann es zu einer Geschlechterverzerrung bei der Nachbesetzung kommen, wie van den Brink (2010) in ihrer Studie in den Niederlanden beweisen konnte. Auf der Mesoebene muss die Geschlechtergleichstellung im Wissenschaftsbereich durch familienpolitische Maßnahmen unterstützt werden. Es sind familienorientierte Arbeitsplätze für eine noch stärkere Vereinbarkeit von Familie und Beruf vonnöten, um einen gesellschaftlichen Verhaltenswandel auf der Makroebene herbeizuführen und um gleichzeitig auf der Mikroebene das innerfamiliäre Engagement beider Partner anzugleichen. Denn Gleichstellung muss auch privat gelebt werden, damit sie sich im Berufsalltag bzw. in unserer Gesellschaft durchsetzen kann.
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Wissenschaftskarrieren in der Leibniz-Gemeinschaft und das Einflusspotenzial von egalitärem Elternzeit-Modell, familienorientiertem Arbeitsplatz und flexiblen Frauenquoten als Gleichstellungsmaßnahmen: Wissenschaftskarrieren und Gleichstellungsmaßnahmen

Backhaus-Nousch, Katja 07 June 2016 (has links)
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis verbessert die Leistungsfähigkeit von Teams, das ökonomische Wachstum von Unternehmen und deren Innovationsfähigkeit (vgl. Europäische Kommission 2011a, S. 4f; vgl. auch Corkery & Taylor 2012, S. 9). Obwohl in vielen Organisationen und Unternehmen diese Fakten mittlerweile bekannt sind, ist das Potenzial eines ausgewogenen Frauen- und Männeranteils in mittleren und hohen Karrierestufen nach wie vor unzureichend erschlossen. So zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2014, dass in akademischen und wissenschaftlichen Karrierewegen der Anteil an Frauen in Positionen mit steigendem Qualifikationsniveau und Status kontinuierlich abnimmt, und dies trotz der heute stark angeglichenen Ausbildungsqualifizierung von Frauen und Männern. In den höchsten Ebenen im Wissenschaftsbereich sind nur noch wenige Frauen vertreten (vgl. Statistisches Bundesamt 2014b, S. 3). Differenzen im Karriereverlauf von Frauen und Männern finden sich also bis heute in der Wissenschaft. Doch was sind die Gründe für diesen Scherenverlauf der Karrierewege von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland? Die Gründe liegen in einem Zusammenspiel kleinerer Vor- und Nachteile im gesamten Umfeld der Geschlechter, wie Ulmi und Maurer (2005, S. 35) resümieren. Denn grundsätzlich belegen Studienergebnisse, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter identischen Rahmenbedingungen gleich produktiv sind (vgl. Andresen, Oppen & Simon 1999, S. 24). Ein einzelner Faktor oder Zeitpunkt kann somit für die im Verlauf auseinanderklaffenden Karrieren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht herangezogen werden. Bisher finden sich in der einschlägigen Literatur nur wenige Studien, die bei der Analyse von Wissenschaftskarrieren das Zusammenwirken von institutionellen Rahmenbedingungen sowie die Subjektseite berücksichtigen, wenngleich dieser Kombination beider Perspektiven eine bedeutende Rolle zukommt (vgl. Andresen et al. 1999, S. 40; vgl. auch Döge & Behnke 2004). Zudem fokussieren vorhandene Untersuchungen weitestgehend auf den Karriereverlauf nach einer kindbedingten Erwerbungsunterbrechung (u. a. Bauer, T. 2000; Krimmer, Stallmann, Behr & Zimmer 2003; Brandt 2012). Die vorliegende Studie analysiert unter Berücksichtigung beider Perspektiven die karrierebeeinflussenden – meritokratischen, individuellen und strukturellen – Einflussfaktoren von Wissenschaftskarrieren am Beispiel der Leibniz-Gemeinschaft als erste nicht-universitäre Wissenschaftsorganisation in Deutschland, die im Jahr 2012 flexible Zielquoten für Frauen einführte (vgl. Leibniz-Gemeinschaft 2013a, S. 1). Gleichzeitig werden Geschlechterunterschiede in Bezug auf die Faktorengruppen bzw. im wissenschaftlichen Karriereverlauf herausgearbeitet. Mit Blick auf die bestehende Unterrepräsentation von Frauen in höheren wissenschaftlichen Führungsebenen sollen des Weiteren die Gründe für den geringen Frauenanteil in höheren Positionen im Wissenschaftsbereich und zudem die Nutzungs- und Akzeptanzmuster von egalitärem Elternzeit-Modell, familienorientiertem Arbeitsplatz und flexiblen Frauenquoten auf der Mikro-, Meso- und Makroebene als Maßnahmen für mehr Geschlechtergleichstellung im Wissenschaftsbereich analysiert werden. Zur Erforschung des Studienthemas werden quantitative und qualitative Erhebungsverfahren kombiniert. Denn erst durch das Zusammenspiel qualitativer und quantitativer Methoden erhält man ein verlässliches Gesamtbild des zu untersuchenden sozialen Gegenstandes (vgl. Diekmann 2009, S. 543). Während die Daten der Online-Befragung unter allen Beschäftigten der Leibniz-Gemeinschaft (Vollerhebung) die Basis für allgemeine Aussagen in Bezug auf Wissenschaftskarrieren in der Leibniz-Gemeinschaft liefern und gleichzeitig mit ihnen die aufgestellten Hypothesen überprüft werden, vertiefen die vier durchgeführten leitfadengestützten Interviews mit Leibniz-Wissenschaftlerinnen und ihren Partnern die quantitativen Daten und unterfüttern sie exemplarisch mit individuellen Aussagen zum Forschungsthema. Bei den meritokratischen Faktoren bestätigen die gewonnenen Daten statistisch signifikant die Annahme, dass eine hohe Publikationsproduktivität der stärkste Karrieremotor für eine Wissenschaftskarriere ist. Dies gilt einerseits für das Erreichen einer höheren Position sowie auch für den erfolgreichen Durchlauf der Qualifizierungsphasen von der Promotion bis hin zur Habilitation und Professur. Aber auch die Bedeutsamkeit von Auslandsaufenthalten und Mitgliedschaften in Fachgesellschaften als karrierefördernde Faktoren konnte bestätigt werden, wenngleich deren Einflussstärke hinter der von Publikationen zurückbleibt. Des Weiteren zeigt die Datenlage, dass die befragten Wissenschaftlerinnen nicht immer die gleichen Karrierechancen im Wissenschaftsbereich wie ihre männlichen Kollegen – trotz gleicher Leistungen und Erfahrungen – haben. So bleibt unter Kontrolle des Alters trotz gleicher Publikationsanzahl und Anzahl an Mitgliedschaften bei der erreichten Position ein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern zugunsten der Männer bestehen. Bei den strukturellen Faktoren haben sich die geschlechtsspezifische Fächerwahl (Fächergruppe), die Anzahl familienfreundlicher Unterstützungsmaßnahmen am Arbeitsplatz und die Akzeptanz von Frauenquoten in dieser Studie als Erklärungsvariable für den Scherenverlauf der Wissenschaftskarrieren der Geschlechter nicht bestätigt. Bei den individuellen Faktoren wird die Arbeitgeberorientierung (vgl. Vogt 2010) von Frauen und Männern ausgeschlossen. Ein individueller Faktor, der jedoch messbar einen Erklärungsanteil in dieser Studie einnimmt, ist der Faktor Kind bzw. das Vorhandensein von Kindern. Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen, dass in Bezug auf die Wissenschaftskarriere kinderlose Befragte erfolgreicher als Befragte mit Kind(ern) sind. Zudem gibt es Geschlechterunterschiede: Väter sind gegenüber Müttern hinsichtlich ihrer erreichten Position erfolgreicher. Folglich kann es nicht die Elternschaft per se sein, die eine Wissenschaftskarriere beeinflusst. Studien konnten einen direkt messbaren Einkommensnachteil für Frauen bzw. Karriereknick durch die (längere) Inanspruchnahme einer Elternzeit nachweisen (vgl. Ruhm 1998; vgl. auch Boll 2009; Busch 2013a; Brandt 2012), sodass die Ergebnisse zur Elternzeit als Einflussfaktor auf Wissenschaftskarrieren betrachtet werden müssen. In diesem Zusammenhang werden ebenso die Resultate zum egalitären Elternzeit-Modell als potenzielle Gleichstellungsmaßnahme bedeutsam. Insgesamt geht mit der Familiengründung ein gemeinsamer, aber langer Entscheidungsprozess für das Elternzeit-Modell (Verteilung der Elternzeitmonate zwischen den Partnern) in der Zweierbeziehung einher. Die Stärke der egalitären Einstellung, das Bildungsniveau oder der Karriereerfolg einer Person haben keinen Einfluss auf die Elternzeitdauer. Auch das Einkommen bestätigt sich durch die Daten nicht – im Kontrast zu vorhergehenden Studien (u. a. Hyde, Essex & Horton 1993; O’Brien 2009), die das Einkommen als Haupteinflussfaktor für die Inanspruchnahme der Elternzeit durch Väter belegen. In der vorliegenden Arbeit war den interviewten Männern eher die Unterstützung vom Vorgesetzten bzw. des Kollegenkreises zur Inanspruchnahme einer (längeren) Elternzeit wichtig. Die Unternehmenskultur ist somit eine Voraussetzung für die Wahl des Elternzeit-Modells. Besonders interessant bei den Ergebnissen der Online-Befragung zur Elternzeitdauer ist die über dem deutschen Durchschnitt (6 Monate in der Studie versus 3 Monate deutschlandweit; vgl. Fegert et al. 2011, S. 5) liegende Elternzeitdauer der Männer. Es verdeutlicht, dass auf der Mikroebene bei Vätern in der Leibniz-Gemeinschaft bereits modernere Geschlechterrollenorientierungen vorliegen. Auf der anderen Seite wurde durch die Datenlage bestätigt, dass eine längere Elternzeitdauer negativ mit der Karrierephase der befragten Männer korreliert (ein nachteiliger Karriereeffekt wurde auch in den Interviews mit den Vätern durch ihre persönlichen Erfahrungen bestätigt), während sie einen positiven Einfluss auf die Karrierephase bei Frauen hat. Als Erklärung kommt der Zeitpunkt der Familiengründung und folglich der Elternzeit infrage. Eine längere Elternzeit bei einer bereits fortgeschrittenen Karriere bei Frauen würde einen positiven Zusammenhang aufzeigen, während bei Männern der umgekehrte Fall vorliegen könnte. Es bleibt zu prüfen, ob weitere Untersuchungen die genannten Ergebnisse stützen können und ob sich ein egalitäres Elternzeit-Modell im Alltag durchsetzen kann, wenn Männer Karrierenachteile erfahren oder fürchten. Die tägliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für beide Geschlechter nicht einfach, sodass die befragten Frauen und Männer einige familienbedingte Spannungen am Arbeitsplatz verspüren. Ein familienorientierter Arbeitsplatz kann hier als Gleichstellungsmaßnahme auf der Mesoebene dazu beitragen beide Lebensbereiche zu vereinbaren: Die Daten belegen, dass Unterstützungsmaßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf signifikant die Anzahl an familienbedingten Spannungen am Arbeitsplatz reduzieren. Die Anzahl an Maßnahmen zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist dabei zwischen den Leibniz-Einrichtungen unterschiedlich, wobei Einrichtungen mit eher vielen Beschäftigten auch (eher) viele Unterstützungsmaßnahmen aufweisen. Der Großteil der Beschäftigten bei der Leibniz-Gemeinschaft ist über die in 2012 eingeführten flexiblen Frauenquoten uninformiert, welche als dritte Gleichstellungsmaßnahme in der Studie untersucht wurden. Weiterhin lehnen Männer die Einführung von Frauenquoten signifikant stärker ab als Frauen. Auf der anderen Seite wünschen sich stärker egalitär eingestellte Personen eher die Einführung von Frauenquoten als Maßnahme für mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern im Wissenschaftsbereich als weniger egalitär eingestellte Personen. Werden Frauenquoten eingeführt, so wünschen sich die Befragten, dass diese ambitioniert, aber realistisch zu erreichen sind und mit einem entsprechenden Monitoring begleitet werden. Insgesamt besteht eine generelle Skepsis gegenüber Frauenquoten, wie in den Interviews und bei der Online-Befragung ersichtlich wird. Zur Erhöhung des Frauenanteils in wissenschaftlichen Führungspositionen wird durch die Daten belegt, dass eine Quotierung nur hilfreich ist, wenn „zugleich Führung und Verantwortung in Job und Familie miteinander vereinbar werden“ (vgl. Boll 2012, S. 650). Mit Blick auf die vorgestellten Studienergebnisse wird deutlich, dass Geschlechtergleichstellung in der Wissenschaft noch nicht erreicht ist. Damit Frauen in der Wissenschaft die gleichen Chancen wie Männer haben, müssen verschiedene Stellschrauben bewegt werden: Auf der Makroebene haben Frauenquoten das Potenzial die weibliche Repräsentanz zu erhöhen, um über paritätisch besetzte Auswahlgremien geschlechtergerechtere Auswahl- und Einstellungsverfahren anzustoßen, denn aufgrund einer weiblichen Unterrepräsentanz in diesen Gremien kann es zu einer Geschlechterverzerrung bei der Nachbesetzung kommen, wie van den Brink (2010) in ihrer Studie in den Niederlanden beweisen konnte. Auf der Mesoebene muss die Geschlechtergleichstellung im Wissenschaftsbereich durch familienpolitische Maßnahmen unterstützt werden. Es sind familienorientierte Arbeitsplätze für eine noch stärkere Vereinbarkeit von Familie und Beruf vonnöten, um einen gesellschaftlichen Verhaltenswandel auf der Makroebene herbeizuführen und um gleichzeitig auf der Mikroebene das innerfamiliäre Engagement beider Partner anzugleichen. Denn Gleichstellung muss auch privat gelebt werden, damit sie sich im Berufsalltag bzw. in unserer Gesellschaft durchsetzen kann.

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