„Ich weiß nicht, was genau von mir zu sagen erwartet wird, damit du Verkehr mit mir hast, aber könnten wir davon ausgehen, dass ich das alles gesagt habe? Ich meine im Wesentlichen sprechen wir von Flüssigkeitsaustausch. Könnten wir nicht einfach direkt zum Sex übergehen?“
Filmzitat aus „A beautiful mind – Genie und Wahnsinn“ (Goldsman & Nasar, 2002)
Mit diesen Worten versucht der hochbegabte Mathematiker John Nash (gespielt von Russel Crowe) in dem Film „a beautiful mind“ seine Absicht der Kontaktaufnahme zu verdeutlichen. Die ZuschauerInnen vor dem Bildschirm haben vielleicht schon eine Ahnung, dass dieser Annäherungsversuch missglücken wird, noch bevor die Dame an der Bar reagiert und die Konversation abrupt durch eine Ohrfeige beendet. So schmerzhaft diese Konsequenz für den Protagonisten sein mag, so macht der Verlauf der Kommunikation doch auf einen entscheidenden Punkt aufmerksam: auch eine sexuelle zwischenmenschliche Begegnung orientiert sich, wie jedes zwischenmenschliche Beisammensein, an bestimmten Handlungsmustern und Regeln, die eng mit den derzeitig geltenden gesellschaftlichen Normen und Werten verknüpft sind und die gesamte Begegnung (vom Anfang, bis zum Ende) begleiten. Über den verbalen, oder nonverbalen Austausch von Symbolen und Zeichen schaffen die Beteiligten einen Bedeutungsraum, in dem Beide mit bestimmten Erwartungen an sich selbst, das Gegenüber und den Verlauf der Kommunikation herantreten und ihre Handlungen reziprok und interaktiv aufeinander abstimmen und beziehen (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2000).
Eine Zeit, in der sich die gesellschaftliche Legitimation des Koitus auf das Beziehungsmodell der Ehe beschränkte, gehört nun seit mehr, als zwei Generationen, der Vergangenheit an. Heutzutage wird von einer individualisierten (Beck, 2008) und sexuell liberalisierten Gesellschaft gesprochen, die eine zunehmende Pluralisierung der Beziehungs- und Sexualformen ermöglicht, die, dank der sexuellen Revolution der 1970er Jahre für das männliche, sowie das weibliche Geschlecht gelte. Ob in serieller, oder synchroner Form, ob als Dyade, oder Gruppe, ob mit wechselnden, oder beständigen SexualpartnerInnen, ob in einer Beziehung, oder außerhalb, ob hetero-, oder homosexuell, ob im zwischenmenschlichen Face-to-Face-Kontakt, oder anonym im Internet-Chat: im Bereich der zwischenmenschlichen Sexualität stehen den Individuen der heutigen Gesellschaft eine Vielfalt an Begehrensformen zur Verfügung, um ihre Sexualität auszuleben (vgl. Funk & Lenz, 2005, S. 75ff.; Sigusch, 2011).
So kann auch das, bis dato noch unerforschte Konstrukt One Night Stand (ONS) als eine mögliche Sexualform angesehen werden, die den beteiligten Individuen eine sexuelle Begegnung ermöglicht.
Wie wird nun das Konstrukt ONS ge- und erlebt? Um sich einer Antwort auf diese Frage nähern zu können, wird sich in dieser Arbeit mit folgenden Fragenkomplexen auf theoretischer und empirischer Ebene auseinandergesetzt:
Welche Handlungsphasen begleiten den ONS?
Welche Funktionen lassen sich für den ONS ableiten?
Unterscheidet sich bei einem ONS das sexuelle Erleben und Verhalten bei Männern und Frauen?
Welche Indikatoren, Merkmale und Dimensionen können das Konstrukt ONS beschreiben?
Obwohl sich in vielen politischen, sowie kulturellen Bereichen der westlichen Kultur um eine Geschlechtergleichstellung bemüht wird, ist anzunehmen, dass gerade auf dem Gebiet der Sexualität weiterhin Geschlechterdifferenzen bestehen, die sich durch geschlechtsunterschiedliche sexuelle Verhaltens- und Erlebensqualitäten äußern (vgl. Funk & Lenz, 2005, S. 73f.). Schon während der Vorarbeiten auf diese Arbeit zeichnete sich eine Tendenz der Fehlinterpretation durch das männliche Geschlecht ab. Durch die Thematisierung des Untersuchungsgegenstands ONS wurde in einigen privaten Gesprächen (aus der weiblich forschenden Perspektive) eine Aktualisierung des damit verbundenen sexuellen Skripts wahrgenommen und als Angebot einer sexuellen Kommunikation missverstanden. Um durch etwaige Missverständnisse entstehende Antwortverzerrungen im empirischen Teil zu vermeiden und eine Absicherung der Forscherin zu gewährleisten, findet in dieser Arbeit eine Fokussierung auf das heterosexuelle, weibliche Geschlecht statt, ohne jedoch eine Diskriminierung des männlichen Geschlechts zu beabsichtigen.
Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Konstrukt ONS findet in Kapitel 2 statt. Darin wird in Kapitel 2.1 zuerst das Konstrukt ONS, in Verbindung mit dem Konzept der Sexualform (Lautmann, 2002) behandelt und eine vorläufige Definition des ONS auf theoretischer Ebene vorgenommen.
Mit dem Ziel, erste Aussagen über die Funktionen des ONS zu treffen, widmet sich Kapitel 2.2 der Frage, weshalb Individuen und speziell Frauen in unserer heutigen Gesellschaft einmalig sexuell aktiv werden. Hierzu werden, nach einer kurzen Vorstellung des Sexualitätsbegriffs, drei unterschiedliche Sexualtheorien diskutiert und zu der weiblichen Funktion des One Night Stands (ONSs) in Bezug gesetzt. Unter Berücksichtigung der kulturellen Veränderungen, die sich auch auf die gelebte menschliche Sexualität auswirken, geht es in Kapitel 2.3 vorerst um den möglichen Einfluss bestehender Geschlechtsunterschiede auf das Konstrukt des ONSs, um abschließend der Frage nachzugehen, welche Phasen die sexuelle Kommunikation einer ersten sexuellen Begegnung und somit auch das sexuelle Skript des ONSs begleiten können.
An dieser Stelle wird der Fokus auf das tatsächliche Erleben und Verhalten während eines ONSs (aus der weiblichen Perspektive) geworfen und der empirische Teil der Arbeit eingeleitet. Um das noch unerforschte Konstrukt ONS aus der weiblichen Perspektive empirisch erfassen zu können, wurden qualitative, leitfadengestützte Interviews mit acht Frauen durchgeführt, die mithilfe von den im Kapitel 3 vorgestellten Forschungs-, Erhebungs-, und Auswertungsmethoden ausgewertet wurden.
Die gewonnenen Ergebnisse werden in Kapitel 4 vorgestellt und unter theoretischer Bezugnahme analysiert. Dabei wird an geeigneten Stellen auf weiterführende Betrachtungen aufmerksam gemacht. Hierbei werden zunächst die Phasen und Besonderheiten der sexuellen Kommunikation des ONSs beschrieben und anschließend in einem Phasenmodell des ONSs zusammengefasst. Abschließend werden die, aus den Interviews abgeleiteten Funktionen, sowie die geschlechtsunterschiedlichen Einflussfaktoren vorgestellt, die sich auf den ONS zwischen zwei heterosexuell orientierten Individuen auswirken.
Das Ziel dieser Arbeit ist eine theoretische und empirische Exploration des Konstrukts ONS. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen als Anlass für weitere wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Untersuchungsgegenstand ONS angesehen werden, die nicht zuletzt auch die männliche Perspektive berücksichtigen.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:14-qucosa-104472 |
Date | 06 March 2013 |
Creators | Kailing, Christine |
Contributors | Hochschule Zittau/Görlitz, Fachbereich Sozialwesen, Prof. Dr. phil. Norbert Zillich, Prof. Dr. phil. Norbert Zillich, Prof. Dr. phil. Jutta Blin |
Publisher | Saechsische Landesbibliothek- Staats- und Universitaetsbibliothek Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doc-type:masterThesis |
Format | application/pdf |
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