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Strategien der Desorientierung in der postmodernen Prosa / Thomas Pynchons The Crying of Lot 49, Elfriede Jelineks Lust, Witold Gombrowicz‘ Kosmos / Strategies of disorientation in the postmodern prose / Thomas Pynchons The Crying of Lot 49, Elfriede Jelineks Lust, Witold Gombrowicz‘ Kosmos

Siwiec, Kamil 17 June 2014 (has links)
Der Effekt der Desorientierung entsteht als Resultat wiederholter Versuche der Ästhetisierung von Phänomenen, die literarästhetisch undarstellbar oder kaum darstellbar sind. Es wird daher behauptet, die Desorientierung sei mit der Entgrenzung des Sprachästhetischen verbunden. Das Ziel dieser Arbeit war die Strategien der Entgrenzung des Ästhetischen in postmodernen Romanen zu lokalisieren und ihre wichtigsten Konsequenzen für die Lektüre zu beschreiben. Im Zentrum meiner Untersuchungen steht die sich allmählich konstituierende und sich zugleich dekonstruierende Sinnhaftigkeit der Erzählung. Literaturgeschichtlich beschränkt sich meine Untersuchung auf die Literatur der Postmoderne, weil sie als Zeitalter der radikalen Pluralisierung und Fragmentierung sowie permanenten Ästhetisierung aller kulturellen Bereiche gekennzeichnet ist. In der Entgrenzung des Ästhetischen sehe ich ein Novum, das paradigmatische Wenden in allen Geisteswissenschaften und Künsten eingeleitet hat. Analysiert wurden drei Romane: Thomas Pynchons The Crying of Lot 49, Elfriede Jelineks Lust und Witold Gombrowicz’ Kosmos. Die Romane Pynchons und Gombrowicz‘ repräsentieren eine sich erst konstituierende literarische Postmoderne. Bei Pynchon und Gombrowicz lässt sich sehr gut die schrittweise verlaufende Entgrenzung des Ästhetischen beobachten, während sie bei Jelinek einen ihrer möglichen Endzustände erreicht zu haben scheint. In den ersten Annäherungen an die von mir ausgewählten Texte konnte ich beobachten, dass sich die Desorientierung als Folge der Verdichtung von Verwirrungen (deren Zahl und/oder Art und Weise die Lektüre in erster Linie punktuell stören) konstituiert. Grob genommen konnte ich zunächst zwischen einer ontologisch und einer epistemologisch fundierten Desorientierung unterscheiden, d.h. es bleibt während der Lektüre unklar, welcher Art Entitäten die Protagonisten begegnen und/oder auf welchen Wegen sie zur Erkenntnis kommen. Die zweite wichtige Beobachtung betraf ein literarästhetisch inszeniertes Insistieren auf das Vorhandensein einer Realität/Dimension, bei gleichzeitiger explizit thematisierter Unmöglichkeit des Ausdrucks dieser Realität. Der Prozess des Desorientiert-Werdens müsste daher etwas mit der Steigerung der Ästhetisierungsintensität gemeinsam haben, d.h. mit dem Multiplizieren der (potentiell bedeutungsvollen) Beziehungen zwischen den Textkonstituenten. Womit der Leser im Endeffekt konfrontiert wird, sind unzählige Inseln inkompatibler Sinnhaftigkeiten, die rhetorischen Eruptionen. Die Perzeption des Lesers wird mit Unmengen von Signifikanten überflutet, zu denen er vergeblich nach passenden Signifikaten sucht. Die Erzählung der Ereignisse und Gestaltung der Figuren werden oft unterbrochen, gehemmt, aufgehoben, nicht zu Ende gebracht, so dass die Konstituierung der Gesamtbedeutung permanent unterlaufen wird. Obwohl alle Geschichten linear erzählt sind, scheint es unmöglich zu sein, irgendetwas in ihnen als sichere Erkenntnis zu gewinnen, da das permanente Stören des Signifikationsprozesses den Leser mit einem Minimum eines Sinns/einer Sinnhaftigkeit zurücklässt. Die Ästhetik der Desorientierung ließe sich somit als eine Ästhetik der Entdifferenzierung der Geschehensmomente, d.h. der Steigerung der Wahrscheinlichkeit ihrer Gleichwertigkeit für die Bedeutungskonstituierung beschreiben. Durch die Entdifferenzierung wird die Bedeutung zerstreut und sie kann sich hinter vielen möglichen Zeichen und Symbolen verstecken.

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