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Ende des neuseeländischen Kinos? / Eine kulturmaterialistische, filmgeografische Studie zur Bedeutung von Nation und location im Kontext der Globalisierung / The End of New Zealand Cinema? / A Cultural Materialist, Filmgeographical Study of Nation and Location in the Context of Globalization

Neuseeland ist eine junge postkoloniale Nation, die sich erst nach einem langwierigen Nation Building-Prozess von England loslöste und weiterhin eine vergleichsweise instabile nationale Identität aufweist. Die Globalisierungsprozesse, die sich durch die Digitale Revolution zusätzlich verschärft haben, haben in den letzten Jahrzehnten für Neuseeland als Nation und für die neuseeländische Filmindustrie weitreichende und paradoxe Folgen gehabt: Einerseits hat der finanzielle und kritische Erfolg der Lord of the Rings-Trilogie, die zu einem großen Teil in Neuseeland gedreht wurde, aber zugleich auch sehr stark digital manipuliert worden ist, zu einem demonstrativ zur Schau gestellten Nationalstolz geführt – was auch als „Renationalisierung“ bezeichnet werden kann, d.h. als etwas, das nationale Konstrukte in ihrer Funktion bestärkt. Andererseits resultiert diese Renationalisierung aus dem Erfolg einer Filmtrilogie, deren Status als „neuseeländischer“ Film aufgrund ihres stark transnationalen Produktionshintergrundes umstritten ist. Filme wie The Piano und Whale Rider, deren Status als neuseeländische Filme kaum infrage gestellt wird, haben Neuseeland zwar globale Bekanntheit eingebracht, aber erst die oben genannten Blockbuster Filme, die inhaltlich nichts mit Neuseeland zu tun haben, haben die nationale Identität Neuseelands nachhaltig verändert: Seitdem vermarktet sich Neuseeland gezielt als filmtouristisches Reiseziel und als wichtiger Standort für Filmproduktionen (als Drehort [englisch: location] sowie für die Postproduction). Im ersten Kapitel sollen daher folgende Fragestellungen erörtert werden: Was für Auswirkungen hat der Globalisierungsprozess konkret auf das Konzept eines „nationalen neuseeländischen Kinos“ gehabt? Inwiefern hat diese Kategorie in Zeiten transnationaler Filmproduktionen noch eine Berechtigung? Muss etwa von einem „Ende“ des neuseeländischen Kinos gesprochen werden?
Da die neuseeländische location eine wichtige Rolle in der Einstufung eines Films als „neuseeländischer“ Film spielt, wird sich das zweite Kapitel, das den Hauptteil dieser Arbeit darstellt, im Rahmen einer filmgeografischen Analyse mit der Rolle der neuseeländischen location in Filmen mit nicht-neuseeländischem Handlungsort beschäftigen. Filme mit neuseeländischem Handlungsort (bis auf die beiden Ausnahmefälle The Piano und Whale Rider) sind nur von einer kleinen Zuschauerzahl rezipiert worden. Hollywood-Blockbuster wie Last Samurai, Lord of the Rings und The Hobbit, die allesamt on location in Neuseeland gedreht wurden, haben hingegen eine ungleich höhere Zuschauerschaft erreicht. Allerdings wird in diesen runaway-Produktionen die neuseeländische location nur „indirekt“ rezipiert, da sie als Projektionsfläche für einen stets nicht-neuseeländischen, zumeist mythischen, archaischen oder nostalgischen Handlungsort dient, was als „Delokalisierung“ bezeichnet werden soll: Durch Delokalisierung wird die location ihrer „Neuseelandspezifizität“ in großen Teilen beraubt und mit Landschaftsmarkern, die für den jeweiligen Handlungsort als spezifisch erachtet werden, „maskiert“, um den Handlungsort glaubwürdig und geografisch kohärent erscheinen zu lassen. Zudem steht die Fähigkeit, glaubwürdige Welten digital zu generieren, in einem Spannungsverhältnis zu der „Fähigkeit“ der neuseeländischen location, als glaubwürdige, „authentische“ Projektionsfläche für ebendiese Welten zu fungieren. Aus den vorgenannten Überlegungen ergeben sich folgende Fragestellungen: Welche Attribute besitzt die neuseeländische Landschaft, die Filmemacher dazu bewegt, sie als „authentische“ location und Projektionsfläche für nicht-neuseeländische Handlungsorte einzusetzen und wie wird dies von Zuschauern bewertet? Wenn für die Simulation fantastischer Welten immer mehr auf digital generierte Landschaften zurückgegriffen wird, bedeutet dies dann neben dem im ersten Kapitel angeführten Ende des neuseeländischen Kinos gleichzeitig auch das Ende der neuseeländischen location? Und welche Folgen hat diese Verdrängung neuseeländischer locations für den neuseeländischen Filmtourismus?

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-002B-7CDB-A
Date02 February 2016
CreatorsSteinert-Lieschied, Oliver
ContributorsSchaff, Barbara Prof. Dr.
Source SetsGeorg-August-Universität Göttingen
Languagedeu
Detected LanguageGerman
TypedoctoralThesis
Relationhttp://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/

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