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Fortgang und Rückkehr der Türkei / Die Hidschra als historischer Basisnarrativ europäischer Muslime des Balkans und türkischer Kulturdiplomaten

Schad, Thomas 16 October 2024 (has links)
Diese Dissertation ist im Rahmen der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies entstanden. / Diese historische Diskursanalyse untersucht zwei Stränge des zusammenhängenden historischen Basisnarrativs der Hidschra, welcher bosniakische Muslime Südosteuropas, ihre ausgewanderten Verwandten sowie das Denken politischer Eliten in der Türkei seit dem schrittweisen Niedergang des Osmanischen Reichs auf wechselvolle Weise verbindet. In den ersten beiden Teilen wird gezeigt, wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg in der historischen Region des Sandžaks von Novi Pazar (Serbien/Montenegro) der Migrationsdruck auf Muslime fortdauerte, die in der Türkei ihren Reservestaat sahen. Über die durchlässigen Grenzen des blockfreien Jugoslawiens hielten jugoslawische Muslime den gesamten Kalten Krieg hinweg Kontakte zwischen alter und neuer Heimat aufrecht, sind in beträchtlicher Zahl in die Türkei ausgewandert und konnten dort paradoxerweise über ihr symbolisches Kapital, aus Europa gekommen zu sein, schnell zu Etablierten werden. In dieser Phase, die an die figurative Rede des Fortgangs der Türkei aus Europa des 19. Jahrhunderts anschließt, dauert die Abwertung des Ostens und die Aufwertung Europas an, was sich auf Denken und Selbstverständnisse sozialistischer und kemalistischer Eliten beider Länder ausgewirkt hat, die sich von der osmanischen Geschichte abzugrenzen suchten. In den beiden folgenden Teilen wird gezeigt, wie der Bosnien-Krieg (1992-95), die geopolitische Wende sowie Entwicklungen im Feld des politischen Islams auf globaler und regionaler Ebene den Diskurs veränderten: Europa erfuhr eine symbolische Abwertung, während über eine Neurezeption des Exodus- und Gründungsmythos der Hidschra ein neuer Zivilisationismus entstand. Dadurch inspirierte türkische Kulturdiplomaten entfalteten ein neues Sendungsbewusstsein, das durch restaurative Aktivitäten auf dem Balkan die figurative Rede von der Rückkehr der Türkei beförderte. Das türkische Sicherheitsversprechen Amanet wird seitdem von beiden Seiten zur Herstellung diskursiver Einheit und politischer Zustimmung bemüht. / This historical discourse analysis examines two strands of the interrelated basic historical narrative of the Hijrah, which has linked Bosniak Muslims, their emigrant relatives and the thinking of political elites in Turkey from the gradual decline of the Ottoman Empire down to the present day in varying ways. The first two parts of this study show how the migratory pressure on Muslims in the historical region of the Sandžak of Novi Pazar (Serbia/Montenegro) continued even after World War II; these Muslim emigrants perceived Turkey as their reserve state. Through the permeable borders of non-aligned Yugoslavia, Muslims from the Sandžak region emigrated to Turkey in considerable numbers, maintained contact between their old and new homelands throughout the Cold War, and managed to quickly establish themselves, profiting from their symbolic capital of having come from Europe. In this period of time, which follows on from the figurative speech of The Outgoing Turk in the 19th century, the devaluation of the East and the revaluation of Europe continued, shaping the self-image of socialist and Kemalist elites in both countries who were seeking to distance themselves from the Ottoman past. The following two parts, by contrast, show how the Bosnian war (1992-95), the broader geopolitical shift and the concomitant developments in the field of political Islam were changing the discourse on a global and regional level: Europe underwent a symbolic devaluation, while a new civilizationism emerged via a new perception of the exodus and founding myth of the Hijrah. Inspired by this intellectual movement, Turkish cultural diplomats developed a new sense of mission that promoted Turkey's figurative and political return to the Balkans through restorative activities in the formerly Ottoman lands of Southeastern Europe. The promise of acting as a protective power for European Muslims termed Amanet is used by both sides to create discursive unity and even political approval.
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Ethnienbildung von Muslimen als Abwehr von Antiziganismus

Lichnofsky, Claudia 15 January 2015 (has links)
Sowohl Ägypter als auch Ashkali sind heute in der Verfassung der Republik Kosovo festgeschriebene communities mit Minderheitenrechten. Ihre Angehörige sind mehrheitlich muslimisch. Ashkali und Ägypter sind albanischsprachig während Roma meist einen der drei im Kosovo vorkommenden Dialekte des Romanes sprechen. In dieser Arbeit wurde untersucht, wie und vor welchem Hintergrund neue ethnische Identifizierungen in Konfliktgesellschaften entstehen, welche historischen und politischen Rahmenbedingungen dafür gegeben sein müssen, damit sie sich erfolgreich etablieren und was der jeweilige Vorteil für eine Identifizierung mit der einen oder der anderen Gruppe ist. Historisch-kritisch untersucht wurden schriftliche Ego-Dokumente von Ägyptern und Ashkali (Webseiten, Offene Briefe, Artikel und Monographien) sowie problemzentrierte Interviews, Statistiken, Menschenrechtsberichten und Artikel aus serbischen und kosovarischen Zeitungen. Der Zusammenhang von Antiziganismus und dem Wunsch nach Schaffung einer neuen nationalen Kategorie wurde dabei in der historischen Perspektive deutlich: in den 1960er/70er Jahren grenzten sich jugoslawische Roma von den negativen Stereotypen und ihrer Bezeichnung als „Zigeuner“ ab, promoteten die Bezeichnung ''Roma'' und vernetzten sich mit Roma anderer europäischer Ländern. Ab Ende der 1980er Jahre versuchten in Südwest-Mazedonien einige Menschen sich zu organisieren und ihr Image als „Zigeuner“ zu verlieren, ohne gleichzeitig den Albanern zugerechnet zu werden, die sich von Jugoslawien separieren wollten. Sie organisierten sich über die Republik Mazedonien und auch Jugoslawien hinaus und schafften es, in Serbien und Mazedonien als positive Alternative zur albanischen Minderheit anerkannt zu werden und ihre eigene Kategorie in der Volkszählung zu erhalten. Die Ashkali entstanden 1999 als Ausweg aus der Nachkriegs-Gewalt im Kosovo. / Both Egyptians and Ashkali are formally defined as communities with minority rights in the current constitution of the Republic of Kosovo. Their members are overwhelmingly Muslim. Ashkali and Egyptians are Albanian-speaking whereas Roma tend to speak one of the three Romany dialects spoken in Kosovo. This work examined how new ethnic identifications originate in societies in conflict and the causes behind this development; the historical and political conditions that must be in place to enable these new identities to become successfully established and what the respective benefits are behind identifying with one group over another. Written autobiographical documents from Egyptians and Ashkali (web sites, open letters, articles and monographs) as well as problem-centred interviews, statistics, human rights reports and articles from Serbian and Kosovan newspapers were critically examined from a historical standpoint. The relationship between antiziganism and the desire to establish a new national ethnic grouping is evident when viewed from a historical perspective: in the 1960s and 70s the Yugoslav Roma distanced themselves from the negative stereotypes associated with the name “Zigeuner” (gypsy), promoted the name Roma and built links with Roma from other European countries. At the end of the 1980s groups in south-west Macedonia joined together to shed their “Zigeuner” (gypsy) image, creating a group distinct from the Albanians who in turn were trying to separate themselves from Yugoslavia. The groups became more organised, extending beyond the Republic of Macedonia and Yugoslavia and they succeeded in being recognised as a positive alternative to the Albanian minority in Serbia and Macedonia where they were included in the census as a separate ethnic category. The Ashkali identity was created in 1999 in response to the post-war violence in Kosovo.
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"Phantomgrenzen" in Zeiten des Umbruchs

Tomić, Đorđe 25 March 2015 (has links)
Der Zerfall des sozialistischen Jugoslawien ließ aus seinen acht föderalen Einheiten sieben neue Staaten ent-stehen. Die einzige bislang unerforschte Ausnahme ist dabei die Autonome Provinz Vojvodina, die weiterhin ein Teil Serbiens bleibt, wenn auch mit einer erheblich eingeschränkten Autonomie. Insbesondere Fragen nach Qualität bzw. Quantität der Autonomie waren Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen in der Vojvodina seit Ende der 1980er Jahre. Die politischen Unterschiede zwischen den „Autonomisten“ in der Provinz, die sich auch in den 1990ern für eine breite Autonomie einsetzten, und der Belgrader Zentralregierung, deren Macht auf der Idee eines starken vereinten Serbiens beruhte, wurden von den ersteren zunehmend als historisch vorbestimmte kulturelle Differenzen ausgelegt, die hier als „Phantomgrenzen“ untersucht werden. In Form verschiedener symbolisch verknüpfter Aussagen über die historische Besonderheit der Bevölkerung, Wirtschaft und Kultur der Vojvodina wurden die politischen Forderungen nach mehr Autonomie wiederholt bekräftigt. Diese wiederum wurde auch als Schutz vor dem und Gegenmodell zum erstarkten serbischen Nationalismus der „Ära Milošević“ dargestellt. Im Laufe der inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte fügten sich diese Deutungen zu einem neuen Autonomiediskurs zusammen. Wie dieser entstand, d.h. welche Akteure wie und zu welchen Zwecken die Phantomgrenzen der Vojvodina wieder auftauchen ließen, sowie welche Bedeutung die Autonomieidee in der Umbruchszeit der 1990er Jahre im Alltag der Menschen in der Vojvodina erlangte, sind zentrale Forschungsfragen der Fallstudie. Sie bietet damit nicht nur neue empirische Erkenntnisse zur Geschichte des jugoslawischen Staatszerfalls und der postsozialistischen Zeit in Südosteuropa, sondern ermöglicht mit dem verwendeten Modell der „Phantomgrenzen“ auch neue Einblicke in und allgemeine Aussagen über das Wiederauftauchen von Geschichte und historischen Grenzen in Osteuropa nach 1989. / The breakup of socialist Yugoslavia led to the creation of seven new states out of its eight federal units. The only exception, until now unexplored, is the Autonomous Province of Vojvodina, which remains a part of Serbia, although with a substantially restricted autonomy. Notably questions about the quality and quantity of autonomy have been a subject of heavy political conflicts in Vojvodina since the end of the 1980s. Political differences between the „autonomists“ in the province, who also during the 1990s advocated a broad autonomy, and the central government in Belgrade, whose power was based on the idea of a strong unified Serbia, the former increasingly presented as historically predetermined cultural differences, which are explored here as “phantom borders”. The political claims for more autonomy were thus repeatedly reinforced in terms of various symbolically connected statements about the historical distinctiveness of the population, economy and culture of Vojvodina. The autonomy in turn was also represented as an instrument of protection against and alternative model to the growing Serbian nationalism during the “Milošević era”. In the course of meanwhile more than two decades these interpretations merged into a new autonomy discourse. How this emerged, i.e. which agents made how and for what purposes the phantom borders of Vojvodina reappear, as well as what relevance the idea of autonomy gained during the period of radical change in the 1990s in everyday life of the people in Vojvodina are the central research questions of the case study. It hereby offers not only new empirical findings about the history of the breakup of the Yugoslav state and the post-socialist period in Southeastern Europe, but due to the used model of “phantom borders” also permits new insights into and general conclusions about the reappearance of history and historical borders in Eastern Europe after 1989.

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